Söhne der Rosen - Das geheimnisvolle Tattoo (Gay Phantasy) (German Edition)
hätte viel darum gegeben, es allein mit Alain zu genießen, was unter den momentanen Umständen natürlich völlig unmöglich gewesen wäre. Darum zu bitten, allein und vorzeitig nach Hause zu fahren, hätte den General auf jeden Fall stutzig gemacht, selbst, wenn ich Magenschmerzen oder ähnliches als Ausrede vorgeschoben hätte. Außerdem wusste ich nicht einmal, ob Alain überhaupt in der Villa war. Aber wenigstens war ich in Gedanken bei ihm, als der nächtliche Himmel unter lautem Getöse in allen Regenbogenfarben erstrahlte.
31
Die folgenden Tage verliefen relativ ruhig. Mein Vater war noch seltener zu Hause, als üblich, und in der wenigen Zeit, die wir gemeinsam verbrachten, war er äußerst umgänglich, beinahe schon zu freundlich. Das hätte mich eigentlich stutzig machen müssen, aber die Vorfreude auf die nächste Begegnung mit Alain und der Missmut über die lange Zeit bis dahin, hatte meine Sinne getrübt. Sonst wäre mir bestimmt nicht entgangen, dass sich hinter seiner gutgelaunten Maske etwas beängstigendes tat. Zugegeben, er verbarg es so geschickt, dass es einem Außenstehenden nicht aufgefallen wäre, aber ich hätte es merken müssen. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen, wer weiß? Dann aber würde sich die Frage stellen, ob es heute besser oder schlimmer wäre.
Der Juli war erst wenige Tage alt, und ich machte derweil die Erfahrung, was es heißt, im Sommer an der Westküste zu leben. Die sprichwörtlich angenehm kühle Meeresluft blieb aus. Stattdessen machte sich eine immer stickiger und schwüler werdende Hitze breit. Ich hatte das Gefühl, dass jede Bewegung, die man machte, sämtliche Schweißdrüsen im Körper aktivierte. Das Wetter machte die Menschen müde und mürrisch. Ich war keines von beiden. Meine gute Laune stand im direkten Gegensatz zu ihrer. Kunststück, sie konnten sich ja auch nicht auf ein Treffen mit Alain freuen. Arme Menschen. Glücklicher Julian.
Als der lang ersehnte Tag dann endlich gekommen war, konnte die Heimfahrt mit dem Bus nicht schnell genug gehen. Am liebsten hätte ich den Fahrer angeschrieen, ob er überhaupt wüsste, dass sein Bus auch einen zweiten Gang hat.
Die gesamten Vorlesungen waren schon überflüssig gewesen. Die drückende Hitze hatte ihren Höhepunkt erreicht, somit war der Wille der Dozenten zu unterrichten genau so gemindert, wie der Wille der Schüler, sich zu konzentrieren. Bei mir war sowieso nicht daran zu denken. Ich befand mich in einer Art Halbtraum.
Noch drei Blocks. Mein Gott, einige meiner Mitschüler hatten schon seit zwei Jahren ein eigenes Auto. Eigentlich dauerte die Busfahrt nicht wirklich lang, es lag einfach an der von Natur aus bösartigen Wahrnehmung der Zeit, der wir Menschen unterliegen: Warten und Langeweile dehnt Zeit, Freude und Glück lässt sie schrumpfen. Extrem relativ, mein bester Einstein. Und da wir schon bei dem Thema sind, warum macht alles, was gut schmeckt, dick und ist schädlich?
Ich wünschte, dass wenigstens Matthew oder Diane bei mir wären, denn eine Unterhaltung hätte mehr Ablenkung bedeutet als meine blödsinnigen Gedanken. Aber er fuhr tatsächlich jeden Tag mit dem Fahrrad zum College und sie wurde vom Chauffeur ihrer Eltern gebracht und abgeholt. Diane konnte sich glücklich schätzen, so exzentrisch und schlagfertig zu sein, sonst hätte sie es mit ihren Schulkameraden nicht leicht gehabt.
Nach einer mörderischen Ewigkeit war es endlich soweit. Zu Hause. Ich verharrte kurz im Wohnzimmer, rief zur Sicherheit: „Mum? – Vater?“, und machte mich nach ausbleibender Antwort hurtig frisch. Ein offenes Hemd und sehr knappe Shorts schienen der Hitze angemessen zu sein. Hatte ich auch nichts vergessen? Die Schamhaare hatte ich am Abend zuvor noch einmal rasiert, die neue Schachtel Benson hatte ich in meiner Hemdtasche sicher verstaut. Ich hatte sie bereits geöffnet, eine Zigarette umgedreht und einen kleinen Zettel in Herzform unter das Cellophan geschoben, auf dem Ich liebe dich, Alain. Dein Julian stand. Zugegeben, es war wahnsinnig kitschig und gehörte eigentlich eher in den Bereich Kleine-Mädchen-Liebe in der vierten Klasse, aber diese Phase hatte ich bislang nie mitgemacht, also schien es mir okay zu sein. Alain würde es verstehen.
Eine coole Sonnenbrille rundete das Bild ab.
Ich war schon fast an der Terrassentür, als das Telefon schellte. Ich blieb stehen. Sollte ich drangehen? Eigentlich hatte ich keine Lust auf Gespräche, zudem war für mich jede
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