Söhne der Rosen - Die rätselhaften Zwillinge (Gay Phantasy) (German Edition)
Hohn. Ein Ausdruck, der bei den meisten Menschen sicherlich cool wirkte, aber auf mich wirkte er süß.
Als hätte ich nicht schon genug Probleme, machte das für mich alles noch komplizierter. Was hatte Alain damals zu mir gesagt? Verflucht. Wie war das gewesen? – Tee!
„Kann ich dir wenigstens einen Tee anbieten? Eistee? Bei der Hitze genau ...“
Es donnerte.
„Sorry, ich mag keinen Tee.“
Das wäre auch zu schön gewesen. Zugegeben, er sah nicht so aus wie der typische Teetrinker. Warum musste alles so schwer sein? Okay, jung, cool: Probier das.
„Vielleicht ein Bier?“
„Auch nicht.“
Auch nicht. Gewöhn dich besser an die Villa, Julian. Du wirst hier noch Äonen verbringen.
„Hast du Wein?“
Ich war nach seiner Frage so überrascht, dass ich zuerst nicht antworten konnte. Die Vorstellung, dass ein maskuliner, farbiger Zwanzigjähriger mit Lederjacke und Armyhose Wein mögen konnte, war für mich in etwa so abwegig wie ein Truthahn, der sich auf Thanksgiving freut.
„Ich glaube, im Keller habe ich noch ein paar Flaschen.“ Aufatmen. „Möchtest du einen?“
„Klar.“
„Dann ... gehe ich jetzt mal in den Keller ... und hole Wein.“
Da Sinh nichts anderes tat, als mich erwartungsvoll anzusehen, machte ich mich auf den Weg.
„Bin gleich wieder zurück.“
Die gesamte Villa war unterkellert und ich musste mich erst einmal orientieren und suchen, in welchem Gewölbe ich vor langer Zeit den Wein entdeckt hatte. Ich selber halte nicht viel von dem Getränk, was mich wahrscheinlich zu einem der verantwortungslosesten Homosexuellen meiner Generation machte. Und wo wir schon mal dabei sind, Sekt mag ich auch nicht.
Nach wenigen Minuten und labyrinthartigen Gängen hatte ich den Weinkeller gefunden. Nach einer bestimmten Flasche zu suchen hatte wenig Sinn, da ich mich eh nicht damit auskannte. Also griff ich mir die nächstbeste und machte mich auf den Rückweg, wobei ich den Staub mit meinem Ärmel abwischte. Irgendwie war Sinh seltsam. Langsam bezweifelte ich sogar, dass er mein Nachfolger werden würde. Vielleicht durfte er gar nicht hier sein. Vielleicht hatte es wieder einen Unfall gegeben und die Villa hatte es einem Eindringling versehentlich gestattet, das Grundstück zu betreten. Wie damals bei dem General. Ich schauderte bei dem Gedanken. Und bei dem Gedanken an etwas anderes, nicht so Unangenehmes.
Als ich in die Bibliothek zurückkehrte, erwartete mich eine kleine Überraschung. Sinh stand neben meinem Schachspiel und betrachtete es mit neugierigem Interesse. Er hatte schon beinahe die Finger an einer der Figuren, doch als er mich hörte, zog er sie schnell zurück.
„Ich war erfolgreich“, sagte ich und hielt dabei die Flasche hoch.
„Wohnst du eigentlich allein hier?“
„Nein, mit meinem Vater.“ Ein Stich durchzuckte meinen Körper. Irgendwie war es keine Lüge, aber es erschreckte mich, wie unbedacht ich das ausgesprochen hatte. „Und mit meiner Mom.“ Das war eine Lüge.
Es donnerte, diesmal etwas näher.
„Mein Bruder, mein Vater und ich sind nebenan eingezogen. Meine Mutter ist tot.“
„Das ... das tut mir leid.“
„Ist schon okay.“
Schweigen. Mir brach kalter Schweiß aus. Die stille Pause wurde genau so drückend wie das Wetter.
„Hey, wie wäre es, wenn du schon mal die Flasche öffnest und ich inzwischen Gläser hole?“
Da er nicht antwortete, ging ich auf Sinh zu und drückte ihm den Wein in die Hand.
„Ich bin gleich zurück.“
Das konnte nur schiefgehen. Nichts lief, wie ich es geplant hatte. Obwohl ich eigentlich gar nichts geplant hatte. Ich hatte mich lediglich darauf verlassen, dass, wenn der Zeitpunkt da war, alles so laufen würde, wie damals bei Alain und mir. Er hatte alles viel besser im Griff gehabt als ich.
Kaum war ich in der Wohnküche angelangt, stand ich vor dem nächsten Problem. Ich hatte unzählige Gläser zur Auswahl, in der Hinsicht war die Villa großzügig, aber ich wusste nicht, wie Weingläser aussehen. Irgendwann griff ich mir zwei bauchige Kelche und ging damit zurück.
Sinh stand beinahe genau so da, wie ich ihn verlassen hatte, die Flasche ungeöffnet in der rechten Hand. Offensichtlich hatte ich mit meiner Wahl daneben gelegen. Wie sollte es auch anders sein?
„Was ist los, Sinh? Ist der Wein nicht in Ordnung?“
„Ich brauche einen Korkenzieher.“
Guten Morgen, Julian. Stell dich doch noch ein bisschen dämlicher an, vielleicht läuft er dann
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