Soehne des Lichts
keine Gesteinsfarbe, die hier unten nicht im Schein der Leuchtmoose aufleuchtete: Ob es Brücken aus Diamanten, Häuser aus Aquamarinen mit Fenstern aus geschliffenem Bergkristall waren, ob es Straßen aus grünfunkelnden Smaragden oder Verzierungen aus Rubinen waren, Statuen aus Rosenquarz oder Leuchtzeichen aus Schwefel – Malaby war ein Anblick, der niemand unberührt ließ. Ihr Name bedeutete „Die Hellbunte“, und genauso präsentierte sie sich: Hell, bunt und voller Wärme und Leben. Überall wimmelte es von Nola, die ihrer Arbeit nachgingen: Handwerker, die raffinierte Apparate fertigten, mit denen Wasser aus der Tiefe gewonnen oder schwere Lasten gehoben werden konnten, Kristallarbeiter, die Gebäude oder Tunnel errichteten oder reparierten, jene die den kostbaren Grundstoff ihrer Kultur aus den Tiefen schürften, Verwalter, die mit ausgeklügelter Technik Nahrung anbauten und die Trinkwasservorräte anlegten. Dazwischen Krieger, Wächter, Schrifthüter, Alte, Mütter, Kinder ... Malaby war ein Wunder der Vielfalt. Leoro schwieg, ließ sie staunen und beobachten, bis sie durch die letzten Schutztore geschritten waren und in die Tunnel gelangten, die zur Oberfläche führten.
„Ist es an der Oberfläche ähnlich?“, fragte er neugierig.
„Nein. Anders. Durchaus auch sehr schön, ich sehe die Bäume gerne, und die Blumen. Aber nichts ist wie Malaby.“
Leoro erklärte ihr noch einiges, was sie über den Loy wissen musste und warnte sie schließlich:
„Sei vorsichtig, wenn du dich ihm näherst. Er umgibt sich mit so vielen Gerüchen, dass den meisten von uns übel wird, sobald wir auf hundert Schritt an seine Wohnhöhle herankommen. Ionnon hofft, dass deine Ausflüge an die Oberfläche deine Sinne abgehärtet haben, jeder andere Bote würde ohnmächtig werden, bevor er ihn erreichen könnte.“
Avanya nickte matt. Keine guten Aussichten ...
Er ließ sie allein, kaum dass eine leichte Andeutung fremdartiger Düfte in der Luft lag.
„Folge den Stufen dort, du kannst dich nicht mehr verlaufen. Ich warte hier auf dich. Viel Glück! Und – falls er dich angreift, flieh sofort, du kannst nicht gegen ihn kämpfen, wenn der Gestank dich lähmt. Ich bin allerdings sicher, dass er friedlich ist.“
Mit dem Gefühl, eine große Dummheit zu begehen, lief Avanya auf die Treppe zu, und in die Wolke von Düften, die von oben herabdrückte. Schon bald musste sie ihr Gesicht mit dem Ärmel ihres Übergewandes bedecken. Vielfältige Gerüche, von getrockneten und frischen Kräutern, Tinkturen, Rauch, Leder und unzähligen anderen Dingen, die sie nicht erkannte, schlugen gegen ihre sensiblen Sinne, mit denen sie alle Gesteine und Mineralien dieser Welt unterscheiden konnte. Avanya war durch ihre Wanderungen in Wäldern und an Flüssen entlang tatsächlich besser gerüstet als fast jeder andere Vertreter ihres Volkes, sich einer solchen Herausforderung zu stellen. Doch der Kräuterladen des Loy war mehr, als sie bewältigen konnte. Ihr Kopf drehte sich, Wellen von Übelkeit brandeten durch ihren stetig schwächer werdenden Körper, als sie endlich in den Räumen des Loy angekommen war.
Sie erstickte sich beinahe selbst, um den Würgereiz zu unterdrücken, mit tränenden Augen schaute sie um sich. Als ihr fiebriger Verstand die riesige Gestalt wahrnahm, schwärzer als die Nacht, stark und bedrohlich, mit gewaltigen Flügeln und Händen, die größer als Avanyas Kopf zu sein schienen, da taumelte sie zurück; suchte verzweifelt nach Halt, nach einem Fluchtweg. Die Hände griffen nach ihr, eine tiefe Stimme grollte Worte, die sie nicht verstand. Stöhnend sank sie in sich zusammen, sobald ihr Körper sie zwang einzuatmen und all die Gerüche über ihr zusammenschlugen wie eine dunkle Woge.
Verwundert betrachtete Niyam auf die kleine Gestalt, die halb bewusstlos am Boden lag. Noch nie hatte sich ihm ein Nola offen gezeigt, geschweige denn versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Dies hier war ein Krieger, das Schwert bewies seine Berufung. Ob er krank war und Hilfe suchte? Ein wenig ratlos betrachtete er das tränenüberströmte Gesichtchen. Der Nola wand sich in offensichtlichen Qualen unter ihm. Bloß warum? War es Schmerz, Übelkeit, Fieber, vielleicht eine nicht sichtbare Verletzung?
Behutsam griff er nach den schmalen Schultern und wollte den Nola hochheben. Der öffnete die Lider, faszinierend perlweiße Augen starrten Niyam an. Aufschreiend wich der Nola vor ihm zurück.
„Ganz ruhig“, sagte Niyam leise,
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