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Soehne des Lichts

Soehne des Lichts

Titel: Soehne des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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vor Schmerz, zerrissen zwischen Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen, der Gier zu töten, der Qual, die der Gesang in ihr weckte. Leise schluchzte sie auf, berührte die Kehle des Priesters, nur sanft, ganz leicht ...
    Ein Schatten erschien an ihrer Seite. Inani wimmerte, ein zerstörter, gefolterter Teil ihrer Seele schrie vor Sehnsucht, erkannte die Witterung – der Panther war bei ihr. Ihre Vertraute. Etwas griff nach ihr, sandte Bilder von Frieden, von Verbundenheit. Das Leopardenweibchen war nicht hier, um zu töten oder irgendjemanden vor Inani zu schützen. Es war hier, um sie abzuholen. Nach Hause.
    Einen Herzschlag lang wehrte sie sich noch. Die Gier ... der Hass ... Hilflos unterwarf sie sich. Die Fensterläden zerbarsten in tausend Stücke, als sie ihren schweren verformten Leib hindurch katapultierte, und rannte, rannte, hinaus in die Nacht, in den Wald, hin zu dem lockenden Gesang, und der Panther war dicht an ihrer Seite.
     
    „Was war das?“, wisperte die Frau, als sie von ihrem Stiefvater abrückte. Der alte Priester schüttelte nur den Kopf und ließ sich von ihr hinaus führen. Gleißender Fackelschein tauchte das Dorf in beinahe taghelles Licht. Die Wachwölfe und anderen Tiere hatten sich mittlerweile beruhigt. Schulter an Schulter standen die Menschen da und starrten in den Wald, zu der fernen, schmalen Gestalt, die unter den Bäumen stand, erhellt vom Licht des Mondes. Sie umarmte das Monster. Dann verschwanden sie mitsamt der Raubkatze, und nichts als Nebel blieb zurück.
    Ranuk seufzte. Er hatte immer geglaubt, dass Pya ihn dafür bestrafen würde, was er einst getan hatte. Er hatte die Hexenmacht in der Bestie gespürt und gewusst, warum sie gekommen war. Doch wie es schien, konnte selbst die Göttin der Nacht vergeben.
     
    ~*~
     
    Inani schleppte sich hinter der Frau her, so lange ihre Kräfte reichten. Sie wusste nicht, wer sie war, warum sie diese zarte Gestalt vor ihr so verzweifelt liebte, warum sie den Panther neben an ihrer Seite umarmen, die Schlange der Fremden an sich drücken wollte; ihr fehlte jeglicher Willen, darüber weiter nachzudenken. Zu sehr quälten sie unerträgliche Schmerzen, die ihren Kopf zu zerschmettern drohten. Zu sehr fürchtete sie die Bilder und Stimmen, die aus den Tiefen hochstiegen und sie zurücklocken wollten. Zurück in ein Leben, das sie ebenso wenig wollte wie das, was sie jetzt führte.
    Irgendwann hielt die Frau an und nahm Inani in die Arme. Fürchtete sich das kleine Ding denn gar nicht? Jedes andere Lebewesen, dem Inani in den letzten Wochen begegnet war, hatte sie gefürchtet.
    „Leg dich hin, Inani“, flüsterte die Frau und half ihr behutsam. Nein, kein Zweifel, es musste eine Tochter der Dunkelheit sein. Sie streichelte die Klauenhände, sprach ohne Angst zu ihr, in der merkwürdigen Sprache, in der sie auch gesungen hatte.
    Is’larr.
    Inani stöhnte auf, als sie sich an dieses Wort erinnerte. Is’larr. Die geheime Sprache der Hexen. Warum kannte sie dieses Wort? Diese Sprache?
    „Erinnere dich, wer du bist“, flehte die Hexe. Sie legte die Hände auf Inanis Gesicht, kümmerte sich nicht um Reißzähne oder verschobene Knochen.
    „Kennst du mich nicht mehr, Schwester?“
    Inani heulte auf vor Angst. Bilder von schreienden Menschen, sterbenden Priestern, Hexen auf einem Scheiterhaufen flackerten durch ihr Bewusstsein.
    „Nein ...“ Sie erschrak vor sich selbst. Hatte sie ein Wort gesprochen? Bestien kannten keine Sprache!
    „Du bist ein Mensch. Eine Tochter der Dunkelheit, so wie ich.“
    Erst jetzt wurde Inani bewusst, was die Hexe mit ihr machte: Sie sprach in ihrem Kopf mit ihr. Inani wollte sich wehren, doch nun drängten sich noch mehr Fremde in ihre Gedanken: Die Kyphra, das Leopardenweibchen und sogar die Taube. Zu viel, zu viel!
    Weinend versuchte sie zu fliehen und wusste nicht mehr, wie man sich bewegte, wohin sie entkommen konnte, wenn die Angreifer in ihrem eigenen Kopf steckten.
    „Du bist zu stark, um dich vor deinem wahren Ich zu verstecken, Inani! Du bist zu tapfer, um dauerhaft zu zerbrechen. Du musst Hilfe annehmen, um Heilung zu finden, und ich bin hier, um zu helfen. Komm zurück, diese Bestie bist nicht du!“
    „Alles verloren ...“, wisperte Inani und lauschte verwundert ihrer eigenen Stimme.
    „So wie ich, wenn du gehst. Du hast mich, Inani. Du hast deine Seelenvertraute. Du bist nicht allein.“
    „Ich soll die Welt verändern. Ich bin keine Königin. Ich bin Inani. Sonst nichts.“
    „Und das reicht!

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