Soehne & Liebe der Nacht
Danke“, antwortete Gabriel heiser und nahm auf einem Sessel Platz. Hitze stieg in ihm auf. Hatte er sie vorhin äußerst attraktiv gefunden, so drohten ihn jetzt die inneren Flammen zu verbrennen. Seine Kehle wurde trocken. „Vielleicht nehme ich doch ein Glas Wasser“, stieß er hervor.
„Ich komme gleich zurück.“ Lara verschwand in der Küche. Sie schenkte Wasser in zwei Kristallgläser und lächelte. Sie hatte Gabriels heiße Blicke gespürt.
Nervös fuhr sich Gabriel durch sein Haar. Er musste wieder zur Vernunft kommen und sich konzentrieren. Henry schmiedete sicher schon einen Plan und Gabriel hatte nicht vor, ihm den Sieg zu überlassen.
„Hier, bitte.“ Gabriel nahm einen kräftigen Schluck aus dem Glas, das Lara ihm reichte, um das Feuer in sich zu löschen.
„Du bist wirklich durstig!“ Lara lachte. „Ich hole die Wasserflasche, Moment.“ Sie streifte Gabriels Bein, als sie an ihm vorbeiging, und wieder erfasste ihn eine Leidenschaft, die er nie zuvor gespürt hatte. Gabriel sah ihr nachdenklich hinterher. Wie sollte er der Frau, die sein Herz höher schlagen ließ, erklären, dass er ihre Schwester nicht hatte retten können?
„Der Mann vorm Haus, das war Henry, nicht wahr?“ Lara stellte die Wasserflasche auf dem Tisch ab, als sie zurückkam, und setzte sich auf das Sofa.
„Ja, sein Name ist Henry“, antwortete Gabriel verunsichert. Lara sah ihn aufmerksam an.
„Ich habe Dianas Tagebuch gelesen und weiß, was dich mit Diana verband. Ich bin froh, dich zu sehen.“ Gabriel rieb sich nervös die Hände.
„Du weißt also, warum Henry vorm Haus war?“, fragte er unsicher nach.
„Ich fürchte ja. Ich bin eine Auserwählte und Henry möchte mein Blut, um seinen Schöpfer auferstehen zu lassen. Warum wurde Ewan aus der höchsten Ebene verbannt? In Dianas Tagebuch stand nichts davon.“ Lara brannte darauf, endlich die ganze Wahrheit zu erfahren, vor allem über Dianas letzte Stunden.
So einfühlend wie möglich, erzählte Gabriel Lara von Kairon, einer fernen Welt, einer verbotenen Liebe, aus deren Konsequenz Ewan seine dunklen Söhne zeugte. Vom Dolch der Auferstehung und den Auserwählten, die die Söhne der Nacht töten, damit ihr Blut Ewan den Weg aus der Unterwelt ebnete, und schließlich von den Avataren, zu denen auch er gehörte. Lara atmete tief durch und erzählte Gabriel von ihrem immer wiederkehrenden Alptraum der letzten drei Monate, in dem Henry sie mit den Dolch der Auferstehung durch einen Stich ins Herz tötete. Gabriel war irritiert, die Söhne der Nacht hatten nur eine Methode zu töten: sie schnitten ihren Opfern die Kehle durch. Er entschied sich zu schweigen, Lara musste schon genug verkraften.
„Bitte erzähl mir alles von Dianas letzter Nacht“, bat Lara mit zitternder Stimme. Gabriel setzte sich neben Lara und legte seine Hände auf ihre, bevor er Lara von seinem Versagen vor zwanzig Jahren erzählte. Lara lehnte sich an Gabriels Schulter und ließ ihren Tränen freien Lauf.
„Und jetzt will Henry mein Blut“, schluchzte sie.
„Ich lasse nicht zu, dass Henry dir etwas antut.“ Gabriel nahm Lara in die Arme, fest entschlossen, die Erde mit Henrys Blut zu tränken.
24
Mit einem eisigen Lächeln harrte Kassandra in ihrem Versteck in Lillis Badezimmer aus. Sie sah dem Sturm vorm Fenster zu, der heftig an den Zweigen riss.
„Richard“, flüsterte sie sehnsüchtig in die Nacht, die schwarz war wie das Haar ihres Geliebten. Kassandra liebte ihn mit der ganzen Kraft ihres Herzens. Die schwarze Magie, die sie in ihrer Jugend erlernt hatte, vereinte sie vor zwei Jahren mit Richard. Mit einem Blutritual rief sie damals nach einem Geliebten aus der Unterwelt und ein Gott, in dem das Böse lebte, erhörte sie. Richard schenkte ihr neue Träume und ein neues großes Schicksal. Die Menschheit würde bald für jeden Schmerz, den sie ihr zugefügt hatte, bezahlen, für jede Träne, die sie aus Leid vergossen hatte. Aufgewachsen in einem Heim, hatte sich niemand für sie interessiert. Wie oft hatte sie in ihrem Zimmer gesessen und sich einsam gefühlt, während die Kinder draußen lachten. Immer hatten sie Kassandra ausgeschlossen, weil sie feuerrotes Haar besaß und deshalb als Hexe beschimpft wurde. Die Leute, die kamen, um ein Kind zu adoptieren, hatten nie sie gewählt. Für jeden Regelverstoß, den andere Kinder begingen, wurde Kassandra bestraft. Die Männer nutzten sie immer nur aus und die Frauen mieden oder beschimpften sie. Jetzt war Kassandras Zeit
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