Soehne & Liebe der Nacht
Augen Cara an.
Cara gab ihre Tarnung auf, nun sollte das Schicksal entscheiden, wie es weiterging mit ihr und dem Mann, den sie unsterblich liebte.
Um Fassung ringend, sah Ewan dem Schauspiel zu, das vor seinen Augen stattfand. Die Kehle wurde ihm trocken, als sich die Frau, die neben ihm saß, in jenes Wesen verwandelte, dessen Bild ihm bis in die Tiefe der Hölle gefolgt war und das sich Nacht für Nacht in seine Träume schlich. Unfähig zu reden, sah er wie gebannt in die Augen, die ihn schon bei ihrer ersten Begegnung besiegt hatten. Cara hielt den Atem an. Die Zeit schien eingefroren.
„Ewan“, wagte sie einen Anfang. Der Klang von Caras Stimme riss ihn aus seiner Erstarrung. Ewan packte sie schmerzhaft an beiden Armen und schüttelte sie heftig.
„Du wagst es, mir nach zweitausend Jahren gegenüberzutreten und mich in meiner Einsamkeit zu verhöhnen!“ Ewan war außer sich, sein Körper wirkte wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand.
„Ich bin nicht hier, um dich zu verhöhnen, ich bin hier, weil ich meinen Ewan wiederhaben will. Ich will den Ewan zurück, dessen Augen mich wärmten wie Sonnenstrahlen.“ Flehend, ihr zu glauben, sah Cara Ewan an.
„Was zum Teufel sollte die Maskerade?“, fragte Ewan frostig.
„Meine Geschichte ist noch nicht zu Ende“, erwiderte Cara leise.
„Sieh dich hier um, dann siehst du das Ende deiner Geschichte!“
„Ewan, bitte, bitte hör mir zu, dann werde ich jede Entscheidung akzeptieren, die du für uns triffst.“
„Sprich“ Cara schöpfte Hoffnung.
„Auch ich entkam dem Zorn meines Vaters nicht. Zweitausend Jahre verbannte er mich in die Festung der Einsamkeit. Zweitausend Jahre suchte ich Trost im Spiel der Wellen, die das Meer an den Strand warf. Dem Meer konnte man nicht befehlen, nicht zu stürmen. Es schenkte mir das Vertrauen, dass auch wir wieder zueinander finden, denn auch mein Herz gehorchte dem Befehl meines Vaters, dich zu vergessen, nicht. Ich hatte das Meer und meinen Wächter Thomas. Thomas half mir durch jede schmerzhafte Sekunde, er brachte mich zum Lachen in einer Zeit, in der es nichts zu lachen gab. Thomas begleitete mich zur Erde, um mich im Kampf um dein Herz zu unterstützen. Am Tag, als man mich aus dem Thronsaal führte, um mich einzusperren, habe ich meinen Vater angefleht, mir zu sagen, wohin er dich verbannte. Mein Vater strafte mich mit Schweigen. Ich erfuhr die Wahrheit erst am Tag meiner Freilassung. Mein Vater malte ein düsteres Bild von dir und warnte mich, dass mich der Tod erwarten würde, wenn ich dir folge.“ Cara schwieg einen Moment und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Ewan, ich weiß, du musstest glauben, ich hätte dich verlassen, aber jetzt bin ich hier, lass uns das Licht wiederfinden.“
Auch Ewan schwieg einen Moment, bevor er Cara fest in die Arme nahm. „Meine wunderschöne Cara“, flüsterte er und fuhr durch ihr langes braunes Haar. „Ich habe Angst, dass ich für immer verloren bin. Die Kälte in mir beherrscht mein ganzes Sein.“
„Gib mir eine Nacht Zeit, Ewan, und wir schmelzen das Eis in deinem Herz gemeinsam.“ Cara drückte ihre Lippen fest auf die des Mannes, den sie nie aufgeben würde. „Zweitausend Jahre habe ich deine Küsse vermisst“, flüsterte Cara an Ewans Lippen.
„Zweitausend Jahre fühlte ich mich betrogen. Verzeihst du mir, dass ich den Glauben an unserer Liebe verlor?“, hauchte Ewan in Caras Ohr.
„Ich gebe dir die Chance, es heute Nacht mit viel Leidenschaft wiedergutzumachen.“
Ewan liebte das Feuer in Caras Augen, mit dem sie ihn schon immer um den Verstand gebracht hatte. „Wir werden wieder in Flammen stehen“, schwor er.
22
Kalt lächelnd stand Michael vor Lillis Wohnungstür. Er musste sie entsorgen, bevor Lilli eine Verbindung zwischen ihm, dem Dolch der Auferstehung und somit zu Marias Tod herstellte. Michael liebte den Geruch eines nahestehenden Todes, der in der Luft lag. In der Absicht, durch vergossenes Blut seine Haut zu retten, drückte Michael auf den Klingelknopf. Das Schluchzen hinter der Tür kam immer näher. Mit rot verweinten Augen öffnete die Frau, die nur noch ein paar Atemzüge vom Tod entfernt war, arglos die Tür. Lilli hatte ihr schulterlanges blondes Haar hochgesteckt und trug einen weißen Bademantel. Die Tränen liefen ihr über die bleichen Wangen wie kleine Bäche.
Michael warf einen gespielten betroffenen Blick auf das Häufchen Elend, das vor ihm stand. „Darf ich reinkommen, Liebes? Ich habe deine
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