Soehne & Liebe der Nacht
Haut um seine Beine. In seinen Lederstiefeln trug er einen Dolch. Nicht den, der jede Nacht den Weg in ihr Herz fand, stellte Lara erleichtert fest. Hätte er nicht im Licht einer Laterne gestanden, wäre er unsichtbar gewesen, dunkel und eins mit der Nacht.
Lara erschauderte, als sie eine zweite Stimme hörte. Sie kam zornig von der anderen Straßenseite: „Henry, du Ausgeburt der Hölle, lass deine Finger von ihr!“
Laras Augen wanderten über die Straße und sie fühlte sich augenblicklich wie benommen. Ihr schossen tausend Gedanken durch den Kopf und ihr Herz schlug so schnell, dass sie fürchtete, es würde ihr aus der Brust springen. Auf der anderen Seite stand, beleuchtet von der grellen Hotelreklame, ihr Prinz aus dem Märchenbuch. Sein Anblick nahm Lara die Angst der Nacht, stattdessen tobten in ihr tausend Gefühle. Wie konnte der Traumprinz aus der Vergangenheit ihr in der Wirklichkeit der Gegenwart gegenüberstehen? Er wirkte wie ein Tiger auf dem Sprung. Die Straße überquerte er in Sekunden.
Henry fuhr herum. „Die Frau gehört mir!“, zischte er.
Lara hatte Mühe, zu atmen, die Faszination nahm ihr die Luft. Das Wort Perfektion hatte ein Gesicht bekommen, Gabriels Gesicht. Wie in Trance nahm Lara ihre Umgebung wahr.
„Die Vernichtung der Menschheit fällt heute aus, Prinz der Nacht!“ Ohne Vorwarnung schlug Gabriel Henry ins Gesicht. Henrys Lippe platzte auf und er schmeckte Blut, ausnahmsweise mal sein eigenes.
Er taumelte. „Du bist nicht in Form, Vollstrecker!“, provozierte Henry Gabriel.
Knurrend standen sie sich gegenüber. Gabriel zog, zu allem bereit, seinen Dolch aus dem Stiefel. „Sprich dein letztes Gebet, der Gerechtigkeit wird heute Nacht genüge getan!“
Henry grinste höhnisch: „Immer mit der Ruhe, Avatar, wir sind nicht allein.“ Er zeigte über die Straße. Vor dem Hotel hatten sich einige Menschen versammelt, die neugierig zu ihnen herübersahen. Widerwillig steckte Gabriel seinen Dolch in den Stiefel zurück.
„Das hier ist noch nicht vorbei! Ich finde dich, Blutsauger, und jetzt verschwinde, bevor ich es mir anders überlege.“
Henry warf einen wütenden Blick auf Lara, deren Augen bei dem Anblick von Gabriel strahlten wie Sterne.
„Denk nicht mal daran!“, warnte Gabriel Henry eindringlich. „Diese Quelle ist versiegt!“
„Wir sehen uns noch, Avatar!“, wutentbrannt wandte sich Henry ab und verschwand in der Dunkelheit.
21
Cara holte tief Luft. „Ich würde sie töten“, hallte es in ihrem Kopf wieder. Mit wild schlagendem Herzen trat sie an Ewan heran. „Ich möchte dir eine Geschichte über die Liebe erzählen, die stärker ist als der Zorn, der sie vernichten wollte.“
„Sieh dich hier um, glaubst du, die Hölle ist der richtige Ort für Geschichten über Liebe?“, fuhr Ewan Cara unwirsch an.
„Ich bin sicher, meine Geschichte findet den Weg in dein Herz.“ Prüfend sah Cara Ewan ins Gesicht. Da es seine Gedanken nicht verriet, nahm sie Ewans Hände, die die Temperatur der Hölle hatten, und zog ihn in die Richtung der Schlafstätte, auf der nach zweitausend Jahren ihr Herz mit dem von Ewan im gleichen Rhythmus geschlagen hatte. Cara setzte sich auf das aus Steinen gebaute Bett, das Ewans Härte widerspiegelte.
Mit eisigem Blick setzte er sich neben Cara. „Bete, dass deine Geschichte nicht das Ende deines Lebens ist!“, warnte Ewan sie.
„Das Ende meiner Geschichte steht noch nicht geschrieben. Sie kann im Licht oder in ewiger Dunkelheit enden.“ Noch einmal atmete Cara tief durch. „Meine Geschichte beginnt vor unendlich langer Zeit in einem Rosengarten, in dem ich an einem sonnigen Morgen spazieren ging. Der Wind blies sanft durch mein Haar. Die Sonne wärmte meine Haut und an diesem wundervollen Morgen hielt ich es für unvorstellbar, jemals einen Mann mehr zu lieben als meinen Vater. Dann geschah etwas, das mir auch mein schönster Traum nicht hätte versprechen können. Ich sah den schönsten Mann von allen. Dieser Morgen wurde zum glücklichsten meines Lebens, weil er mir sein Herz schenkte. Es waren wundervolle Momente, die ich in seinen Armen verbringen durfte, und wenn wir uns liebten, war es, als stünden unserer Körper in Flammen. Es war ein Schattentag für meine Seele, als mein Vater unsere Liebe entdeckte. Er war außer sich vor Zorn, mich in den Armen des Mannes zu finden, der sein Diener war.“
„Schweig, Weib! Du erklärst mir besser, woher du dein Wissen hast, bevor du stirbst!“, zornig funkelten Ewans
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