Soehne & Liebe der Nacht
Dunkelheit.
13
Pünktlich neun Uhr stand Amanda in blauen Jeans und rotem Rollkragenpullover vor dem Spiegel im Badezimmer und warf einen prüfenden Blick in ihr Gesicht. Der Zweifel, der dort geschrieben stand, machte ihr deutlich, dass die Vergangenheit sie mehr beherrschte als das Hier und Jetzt, das sie umgab. Wieder erschien Amanda ein Gesicht aus längst vergangener Zeit und ließ ihr Herz wild schlagen. Amanda stockte der Atem bei dem Gedanken an den Mann, den sie einst unsterblich liebte. In dessen Armen sie geglaubt hatte, das Paradies gefunden zu haben, bis zu dem Abend, als sie sah, wie das Blut einer Frau durch seine Kehle floss. Vom Flur drangen Stimmen an Amandas Ohr und holten sie in die Gegenwart zurück. Dankbar für die Ablenkung, atmete Amanda tief durch. Sie überfiel ein Gefühl der Neugier, das sie dazu trieb, die Tür zu öffnen, nur um den gutaussehenden Fremden wiederzusehen.
„Guten Morgen, Paul.“ Lächelnd trat Amanda in den Flur.
„Guten Morgen, mein Kind“, begrüßte Paul sie herzlich. Zu den Fremden gewandt erklärte er stolz: „Das ist meine Tochter Amanda. Sie hat sich von ihrem stressigen Job als Reporterin in der Großstadt losgerissen, um mir altem Mann eine Freude zu machen.“
„Hallo, ich bin Lara, und das ist mein Mann Gabriel“, freute sich Lara, noch ein weibliches Wesen zu sehen. Gabriel nickte Amanda zu. Amanda fixierte Rafael, der sie mit seinen Augen durchbohrte.
„Mein sprachloser Freund hier ist Rafael Kent“, stellte Gabriel ihn vor und klopfte Rafael heftig auf die Schulter. Amanda konnte ihren todsicheren Reporterinstinkt nicht unterdrücken.
„Was führt Sie in unsere winzigkleine Stadt?“ Erwartungsvoll sah Amanda in Rafaels Augen und spürte, dass er sich bemühte, etwas zu verbergen. Rafael lächelte.
„Erzählen Sie mir Ihre Geheimnisse, dann vertraue ich Ihnen meine an.“
„Warum besprecht ihr das nicht beim Frühstück?“, warf Paul ein. „Bei mir gibt es das beste Rührei der Stadt.“
„Gute Idee, das Baby ist hungrig“, nahm Lara Pauls Angebot dankend an. Erst jetzt nahm Amanda den Babybauch wahr, der unter Laras Mantel verborgen war.
„Dann zeige ich Ihnen die Zimmer, bevor das Baby unruhig wird.“
„Wir sehen uns beim Frühstück.“ Aufgewühlt wandte sich Amanda der Treppe zu. Der Schmerz der Vergangenheit mischte sich mit der Sehnsucht der Gegenwart. Eine Stimme tief in Amanda verriet ihr, dass sie Licht finden würde im Dunkel ihres Herzens, wenn sie Rafael vertraute.
Paul hatte den Schlüssel ins Schloss gesteckt und schob die Tür auf. „Ich nehme Ihre Tasche“, bot er Lara an, die dankbar nickte und Paul ins Zimmer folgte.
„Amanda gefallt dir“, raunte Gabriel Rafael zu und konnte sich ein allwissendes Grinsen nicht verkneifen.
„Ich habe keine Zeit für Frauen“, knurrte Rafael und fühlte sich ertappt.
„Wie du meinst.“ „Was ist mit Rafael?“, fragte Lara, als Gabriel ins Zimmer trat.
„Ihn hat’s erwischt.“
Paul konnte sich ein neckisches Lächeln nicht verkneifen. Amanda hatte es verdient, wieder glücklich zu werden, nach der Erfahrung mit diesem Teufel, der einst hier lebte.
„Danke“, zischte Rafael, der im Türrahmen stand, Gabriel zu und blickte verlegen zu Paul.
„Kommen Sie, junger Mann, Ihnen gehört das Zimmer nebenan.“
Rafael stöhnte. Das war das Zimmer neben Amanda. Er hatte das todsichere Gefühl, das nicht nur die Söhne der Nacht ihn wach halten würden.
14
„Du wolltest mich sprechen?“ Robert ging auf Jared zu, der durch eine Fensteröffnung nach draußen starrte. Dieser Februar zeigte sich regnerisch trüb und als Verbündeter des Bösen, das sich nicht vor dem Sonnenlicht verstecken musste, sondern sein Gesicht in teuflischer Schönheit zeigen konnte.
„Ich habe vor einigen Monaten eine Nachricht von einem neuen Verbündeten erhalten“, erwiderte Jared, ohne sich umzudrehen. „Er wird uns heute Abend aufsuchen.“
„Ein neuer Verbündeter?“ Robert trat näher an Jared heran. Jared wandte sich zu ihm.
„Er kommt aus der Unterwelt, alles Weitere wird er uns heute Abend erklären.“
„Dann ist es dieser Verbündete, der uns eine neue Chance zur Vernichtung des Lichts bietet?“, fragte Robert interessiert nach.
„Alles, was ich dir sagen kann, ist, dass er schwor, einen Weg zu kennen, das Tor zur Unterwelt zu öffnen und alle Krieger des Bösen zu befreien.“
„Die Vernichtung der Welt des Lichts darf nicht noch einmal scheitern. Seit unser
Weitere Kostenlose Bücher