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Söhne und Planeten

Söhne und Planeten

Titel: Söhne und Planeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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behind
.
    John Ashbery
    Hinterhöfe, Wäscheständer. Sich im Wind blähende Wäsche, gebäudehoch, weiß. Und die Wäscheständer selbst, wie große metallene Roboterhände, Teile von Mondfahrzeugen, auf die Erde verirrt. Und auf ihnen diese riesigen kühlen Leintücher, Kälte über nackten Oberarmen, Kälte auf dem Gesicht, wenn man hineinläuft, mit geschlossenen Augen. Dann erscheint ein weißes, haarloses Gespenstergesicht auf der anderen Seite, wie das Antlitz einer Statue, ohne Pupillen, alterslos. Man kann ein Spiel spielen, indem man das weiße Gesicht berührt und das Gespenst muss erraten, wer es berührt hat. Mauser war dabei immer der Beste.
Laura! – Wie hast du das erraten? – Glück der Dummen!
    Beim Anblick der untergehenden Sonne über den Bäumen kam ihm noch eine frühe, merkwürdige Erinnerung in den Sinn: Eine Mischung, nein, ein vollkommen gleichwertiger Zusammenfall von Trauer und Freude. Anteilnahme an der Schöpfung, religiös, sexuell, spielerisch, schwermütig, todgeweiht. Eine der vielen Abend-Erinnerungen, die sich gegen Ende eines Lebens verdichten.
In deinem Blut, in deinem Sinn
.
    Der erste Besuch im Park, nahe der alten Wohnung. Das polternde Xylophon der kleinen Holzbrücke über dem Bach.
    Der Spielplatz an einem Herbsttag. Sinkende Sonne, Kinderlachen. Es ist ein wenig kalt. Das Kind Ernst denkt den Satz: Es wird immer später, das heißt, kälter – und da drüben schaukeln sie. Plötzliches Überwältigt-Sein von der intensiv-bedeutungslosen Kraft der Szenerie. Trauer, Freude, Tränen, Gekicher. Die Bewegungen der wild schaukelnden Kinder, die an den Park grenzenden Hochhäuser – und das Weltall, das auf einem silbrig-unsichtbaren Spinnennetz glitzert, das über dem klaffenden Mund einer Parkmülltonne hängt. Der brennende Wunsch, in all das einzudringen, mit stromlinienförmigem Delfinkörper und glattem Kopf, wie unter einer Badehaube. Die erste erotische Fantasie des jungen Lebens:
Ich
, die kleine flugunfähige Patrone im Herbstmantel, an der Hand der Mutter, vor die Kulisse einer großen Unbegreiflichkeit gestellt und ab diesem Zeitpunkt dazu verdammt, sie zu studieren, immer nur sie.
    Andere schöne Erinnerungen an die Eltern … Jeder zweite Sonntag gehörte dem Fernsehen, jenem unverständlichen Zauberwürfel. Die Mutter kämmte ihre Haare eine halbe Stunde lang, bevor die Nachrichtensendung begann, der Vater zog sich fein an, putzte sich sogar die tabakverstopfte Nase, und anschließend setzte sich die Familie, sonntäglich, salonfähig und empfängnisbereit vor den Bildschirm. Der Mann im Fernseher schaute sie direkt an, er schien sie alle gleichzeitig anzuschauen, ein unheimlicher Effekt. Er folgte einem durch den ganzen Raum, wenn man herumging. Aber Herumgehen kam so-wiesonicht in Frage, da man damit seine ordentliche Kleidung durcheinanderbrachte – und dann schimpfte die Mutter und der Vater wurde dunkel im Gesicht und melancholisch. Es war unerhört leicht, beiden, Mutter wie Vater, den ganzen Tag zu verderben. Sie nahmen alles sehr persönlich, auch das, was am wenigsten auf der ganzen Welt mit ihnen zu tun hatte: die Blicke der Schauspieler auf dem Fernsehbildschirm.
    Natürlich wussten sie – ja doch, sie wussten. Aber einen König, der all seine Macht verloren hat und in zerrissenen Kleidern herumgeht, redet man trotzdem noch mit Eure Hoheit an, wenn man ein anständiger Mensch ist, sagte seine Mutter. Die Stimme seiner Mutter – jetzt war sie da, hell und klar, er konnte sie deutlich hören, den Rest, der sich noch wie feiner Staub in seinen Gehörgängen befand. Er hatte sich durch ein einziges Wort – welches war es gewesen? – wieder erinnert und kurz reichte sein Gehörsinn durch ein Loch in der Zeit –
ein anständiger Mensch
– ja …
    Plätschern, Gelächter. Kienspanner, verzaubert vom Oberkörper des Jungen.
    Senegger gab wieder einen seiner Vorträge zum Besten. Mauser kratzte sich hinter dem Ohr, Haut schälte sich unerwartet ab, hing unter dem Fingernagel fest. Er hielt sich das Hautstück vors Gesicht und betrachtete es ungläubig.
    Schnell die Hände waschen. Auflösung. Auslöschung.
Totale Weltrevolution
.
    Im Inneren des Hauses war es kühl, so wie der Tag, aber auf eine etwas angenehmere Art. Mauser ging ins Klo, wusch sich die Hände und blieb eine Zeitlang im Wohnzimmer stehen, von wo aus man die Badegäste auf der Terrasse beobachten konnte.
    Die Stereoanlage blinkte. Seit dem frühen Morgen stand sie auf Pause. Mauser

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