Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Söhne und siechende Seelen

Söhne und siechende Seelen

Titel: Söhne und siechende Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alper Canıgüz
Vom Netzwerk:
der Treppenstufen saß und in der Nase bohrte. »Einfach nicht zu fassen.«
    »Mann, der Typ ist verrückt«, sagte Hakan. »Er heißt nicht umsonst der verrückte Ertan.«
    »Wenn ihr mich fragt, hat das nichts mit seinem Verrücktsein zu tun«, warf ich ein. »Er hat mir erzählt, dass er diesen Mord seit Monaten geplant hatte.«
    »Was du nicht sagst«, warf der treuherzige Hakan ein. »Hat er sonst noch was von sich gegeben?«
    »Klar. Das war erst der Anfang. Ich werde jeden Einzelnen, der mich schikaniert hat, dafür bezahlen lassen.« Ich warf einen verstohlenen Blick zu Celal dem Hänfling. Er versuchte abzuwägen, ob ich das alles ernst meinte oder nicht.
    »Was ist, Hänfling?«, meinte Yüksel. »Du bist ja käseweiß geworden.«
    Ich konnte mich nicht beherrschen und prustete laut los. Auch Yüksel und Hakan fielen in mein Gelächter ein. Celal der Hänfling quittierte mit einem ordentlichen Fluch. War die Atmosphäre unter uns erst einmal so salopp geworden, ließen auch die Raufereien nicht lange auf sich warten. Als ich sah, dass Yüksel sich daran machte, brutal an Celals Ohren herumzuschnippen, nahm ich Hakan sogleich in den Schwitzkasten. Während der Hänfling einen Gegenangriff auf Yüksels Weichteile ritt, quiekte er: »Pst, hör mal! Du hast doch einen Witz gemacht, oder? Ertan hat doch so etwas nicht gesagt. Stimmt’s nicht, Mann?«
    Wir lagen im Ringkampf, als Cemalettin plötzlich auftauchte. Der Hänfling versuchte zwar sofort, ihn in unser Freudenfest mit einzubeziehen, indem er eine Offensive gegen ihn startete, doch Cemalettin stieß ihn von sich und sagte: »Hau ab, Junge. Ich kann mich jetzt nicht mit dir anlegen.«
    »Was ist denn los, Cemo?«, fragte ihn der Hänfling.
    Cemalettin hatte ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Schniefend zog er die Nase hoch. »Die Polizei hat meinen Bruder Gazanfer mitgenommen.«
    »Bestimmt hat sich Burhans Familie beschwert«, meinte der Hänfling. »Recht haben sie.«
    »Wahrscheinlich«, sagte Cemalettin.
    Ich war davon nicht recht überzeugt. »Hat die Polizei nicht gesagt, warum sie deinen Bruder mitnehmen?«, fragte ich.
    »Nein, sie haben ihn einfach so mitgenommen.«
    Ich war ein wenig verdrossen. Beinahe hätte ich mich selbst angezeigt, als Hakan sagte: »Ihr habt gestern das Fußballmatch nicht zu Ende spielen können.«
    »Sein bekloppter Bruder ist gekommen und hat unser Spiel kaputt gemacht«, erklärte der Hänfling und zeigte dabei auf Cemalettin.
    »Wollen wir für heute Abend noch ein Spiel ansetzen? Vor allem, weil ich heute mitspielen kann«, meinte Hakan aufgedreht.
    »Wir wollen kein Muttersöhnchen im Tor«, widersprach der Hänfling.
    »Geh und spiel Himmel und Hölle mit den Mädchen«, sagte Yüksel.
    Hakan bekam einen Wutanfall. »Was redest du da, Stinkstiefel?«
    »Du bist doch ein Weichei, Mann, stimmt’s etwa nicht?«, provozierte Yüksel ihn noch mehr.
    Hakan zu schikanieren vertrieb auch Cemalettins Niedergeschlagenheit. »Weichei! Weichei!«, schrie er und zerwühlte Hakans Haare mit einer nervigen Handbewegung.
    Aufgebracht schnappte Hakan sich seine Tasche und sprang auf. »Ihr Mistkerle!« Mit tränenerfüllten Augen sah er mich kurz an, dann rannte er davon.
    Die anderen waren bester Laune. Wie sehr doch ihre Augen strahlten, wenn sie jemanden gefunden hatten, den sie fertigmachen konnten. Vor allem, wenn es ihnen eigentlich gar nichts einbrachte. Sie taten das einzig und allein, um den anderen zu erniedrigen. Aus Spaß. Mich wundern Leute, die beim Anblick von Kindern von Naivität, Unschuld und Schönheit faseln. Wenn ich unsere Jungs betrachtete, sah ich nichts als die nackteste Form der niederträchtigsten Neigungen des Menschen. Vollkommen anders positioniert hatte ich mich nicht. Einzig das Schicksal hatte es so gewollt, dass ich raffiniertere Methoden entwickelt hatte, um das Hässliche in mir nach außen zu befördern.
    Nachdem ich einige Stunden dort verbracht hatte, ging ich nach Hause. Ich hatte keine Lust zu gar nichts. Mit einem Buch streckte mich auf dem Diwan in meinem Zimmer aus. Ich nickte ein. Gegen Abend erhob ich mich, deckte den Tisch und begann etwa zehn Minuten, bevor meine Eltern nach Hause kamen, das Essen vom Vortag aufzuwärmen. Meine Mutter war voll des Lobes ob meiner Aktion. Allerdings musste ich gleich nach dem Aufstehen vom Tisch feststellen, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Aufgrund meines Übereifers hatten wir früher gegessen als sonst, und das bedeutete für alle einen

Weitere Kostenlose Bücher