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Söhne und siechende Seelen

Söhne und siechende Seelen

Titel: Söhne und siechende Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alper Canıgüz
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Betrunkene am Tisch – der Amca Bey, der Holzkopf sowie der jüngere und rotgesichtigere Mecit, dem man meines Wissens noch nicht die Ehre eines Spitznamens hatte zuteil werden lassen.
    »Donnerwetter, dein Junge ist aber schnell gewachsen«, sagte der Holzkopf, der sich leider für sehr witzig hielt, und zeigte dabei auf Rebi Abi.
    »Nein, nein! Ich bin nicht sein Sohn, ich bin sein Nachbar«, ging Rebi Abi ihm mit ungebremster Blödheit ins Netz und präsentierte damit seine Kandidatur zum Volltrottel des Abends.
    »Sieh mal an! Dabei sind Sie ihm wie aus dem Gesicht geschnitten«, machte der Holzkopf sich weiter über Rebi Abi lustig, während er ihm mit gekünstelter Erregung die Hand schüttelte.
    »Was hast du hier zu suchen?«, fragte mein Vater. »Oder hat deine Mutter …«
    »Mutter hat keine Ahnung, dass ich hier bin«, sagte ich unter Inkaufnahme eines Wutanfalls. »Rebi Abi hat mich dankenswerterweise hergebracht.«
    Schweigend blickte mein Vater mir ins Gesicht. Schließlich verzichtete er darauf, sich nach dem Grund meines Kommens zu erkundigen. Wahrscheinlich fürchtete er sich vor der Antwort. Er wandte sich an Rebi Abi und fragte ihn halbherzig nach seinem Befinden.
    »Mir geht’s gut, sehr viel besser, Amca«, erwiderte Rebi Abi, als sei das eine reife Leistung. »Morgen beginnen die Abschlussprüfungen. Ich bin vorbeigekommen, um mich zu verabschieden, und …« Als Erklärung für alles Weitere zeigte er mit einer spastischen Handbewegung auf mich.
    Mein Vater nickte verstehend. Sein Ärger war verraucht, Traurigkeit umwölkte seine Miene. »In Ordnung, ihr fahrt jetzt zurück. Rebi, Junge, sei mir nicht böse, dass wir dir solche Umstände gemacht haben …«
    »Ohne dich gehe ich hier nicht weg«, sagte ich.
    »Ich kann jetzt nicht nach Hause. Sonst artet der Streit mit deiner Mutter noch aus. Aber morgen komme ich, versprochen.«
    »Ich bin doch nicht hergekommen, um dich nach Hause zu bringen. Ich dachte, wir trinken ein Gläschen zusammen. So von Vater zu Sohn.«
    Mir entging die Freude in seinem Gesicht nicht, die er zu verbergen versuchte. »Das hier ist kein Ort für Kinder.«
    »Die Vorschule auch nicht, aber da habt ihr mich hingeschickt.«
    Diesmal musste er doch lachen. »Na, du Zecher! Du bist der größte Lümmel aller Zeiten«, sagte er und strich mir über den Kopf. »Mach dir keine Sorgen. Es kommt alles in Ordnung.«
    Meist bin ich geneigt, den Worten meines Vaters Glauben zu schenken. Dass einem der Mund noch stärker brennt, wenn man nach Peperoni Wasser trinkt, manche Würmer sich bei Berührung mit einem Stöckchen zu einer Kugel zusammenrollen, der legendäre Beşiktaş-Spieler Şükrü Gülesin Dutzende Eckbälle in Tore verwandelt hat und
soldier
im Englischen Soldat bedeutet – das sind Tatsachen, die ich von ihm gelernt habe. Doch diesmal wusste ich, dass er sich irrte. Nichts würde jemals besser werden. Man könnte nur raffıniertere Besäufnis-Methoden für die Menschen entwickeln. »Ich glaube dir«, sagte ich.
    »Lass gut sein«, fuhr der Holzkopf dankenswerterweise dazwischen. »Gott hat dir einen solchen Prachtjungen geschenkt, und du stänkerst hier herum! Lass ihn ein bisschen bei uns sitzen, und später geht ihr dann gemeinsam.«
    »Na gut, also«, meinte mein Vater. »Du kannst ja eine Limo mit uns trinken.«
    Ich weinte fast vor Glück.
    »Dann möchte ich mich jetzt verabschieden«, sagte Rebi Abi.
    »Kommt gar nicht in Frage«, widersprach mein Vater. »Komm, setz dich. Lass uns schön miteinander anstoßen.«
    »Yurdakul! Junge, bring uns schnell eine Limo und zwei Stühle!«, brüllte der Holzkopf dem Gehilfen des Wirts zu.
    Rebi kratzte seinen enormen und hohlen Kopf. »Ach Gott, ich weiß nicht …«
    »Hab keine Angst, Rebi Abi«, sagte ich vergnügt, »das hier ist keine griechische Taverne. Du bist in Sicherheit.«
    »Ich hab’s nicht so mit Alkohol. Und ich hab auch kaum Geld dabei«, winselte der Riese.
    »Lass doch das Geld aus dem Spiel«, entrüstete sich mein Vater.
    Am Tisch war das Geschwafel über Rebi Abis Doofheit bereits in vollem Gange. »Mach bei der Limo zwei draus«, brüllte Tevfik-Schätzchen.
    »Rebi ist der Sohn des verstorbenen Hicabi Bey«, stellte mein Vater ihn am Tisch vor. Um Rebi Abi aus dem Zielfeuer zu nehmen, hielt er es wohl für angebracht, auf die gerade erlebte Katastrophe hinzuweisen. »Hicabi Bey war der pensionierte Polizeidirektor, der in unserem Viertel wohnte. Unser Sohn fand doch die …« Er hielt kurz

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