Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)
darauf warten, den schwimmenden Kollos zu verlassen. Die Königinnenstadt, Bilanis Ixis, Stadt der westlichen Sonne, der Hafen zur Alten Welt – kaum ein hurthischer Soldat hat je Fuß in das Zentrum der sagettarischen Macht gesetzt. Wenn sie nicht die Notwendigkeit und den gemeinsamen Kampf um Frieden und Freiheit antreiben würde, hätten die Kriegerinnen und Krieger der Hurth auf dieses besondere Erlebnis verzichten können. Und umgekehrt. Zu unterschiedlich sind die Auffassungen über Religion, Politik und die soziale Gemeinschaft. Die Sagettari sind Freigeister, leidenschaftlich, vom persönlichen Ehrgeiz getrieben, auf der Suche nach Wohlstand und Reichtum, aber auch nach Harmonie und seelischer Ausgeglichenheit. Sie sind gesellig, essen mehr als sie vertragen und trinken bei passenden Gelegenheiten gerne über den Durst hinaus. Die Hurth, und da bilden die meisten Soldaten keine Ausnahme, sind eng verbunden mit den Traditionen ihrer Familien. Sie weichen nur selten von den vorgegebenen Wegen ihrer Ahnen ab, sind gottesfürchtige, praktisch denkende und recht unspontane Menschen, deren Alltag von Regeln und Pflichten bestimmt ist. Doch sie sind, auch wenn die wenigsten von ihnen es ungern zugeben, neugierig und wissensdurstig, begegnen dem Neuen zugleich aber mit Skepsis und sogar Misstrauen. Ein Widerspruch, der sie oft zögern und in den Augen Außenstehender langweilig und uninteressant wirken lässt. Und ein Soldat wie Dalin und auch sein Hauptmann Eisenfels, die in den Jahren des Krieges mehr gesehen und zu mehr genötigt wurden, als es sich ein typischer Familienvater der Hurth vorzustellen vermag, können ihre Aufregung, die Hauptstadt des letzten, kriegsverschonten Landes Vylithiens zu betreten, nicht verbergen. Durch die dicke Hülle des mächtigen Rumpfes hören sie die gewaltigen Ketten, die gerade die Segel von den Masten einholen.
„Was uns wohl erwarten wird?“, fragt Dalin gespannt.
„Ein Ort der Rast und der Klarheit, bevor wir mit unseren Brüdern und Schwestern aus den anderen Ländern in den Krieg ziehen“, erwidert Botin ernüchternd, bevor er sich zu Dalin umdreht und ihn kurz mit einem aufbauenden Lächeln anschaut, „Zumindest hoffe ich das.“
„Du glaubst nicht, dass wir lange hier bleiben werden?“, möchte Dalin wissen.
Botin schüttelt den Kopf. „Wir werden sehen, was der Rat der Königin auf die Beine stellen kann. Und dann in wenigen Tagen wieder aufbrechen.“
„Und ich hoffte, mit einer schönen Frau im Arm im Sonnenuntergang die Küste entlang schlendern zu können“, seufzt Dalin.
„Mit welcher von beiden denn?“, stichelt Botin, „Und was genau meinst du mit schlendern ?“
„Was meinst du?“
„Ich kenne dich lange genug, mein Freund. Du hast ein Auge auf die schöne Sagettari-Kriegerin geworfen und genießt es, wie die schüchterne Teethia um dich herum tänzelt“, antwortet der Hauptmann.
„Nun, ich hab zwei Arme“, prahlt Dalin breit grinsend, „Ich befriedige einfach die Bedürfnisse von beiden.“
Botin muss lachen. Er weiß, dass Dalin nicht der harte Typ ist, für den er sich ausgibt und das sich Dalin dessen ebenfalls bewusst ist und mit scherzender Ironie damit umgeht.
Plötzlich ist eine kräftige Erschütterung zu spüren. Verunsichert schauen sich die Soldaten an. Botin legt zögernd seine Handfläche auf die stählerne Wand und spürt eine kräftige Vibration. Er zuckt erschrocken zurück, als die Tür nach oben aufgezogen wird. Sofort dringt das kräftige Sonnenlicht in den engen Gang. Die wartenden Soldaten machen einen erwartungsvollen Schritt nach vorn. Botin bemerkt, dass die Rampe zum Ufer noch nicht vollständig angelegt ist. Er beugt sich vorsichtig nach vorn und blickt auf das tänzelnde Wasser zwischen dem Schiff und dem fast greifbaren Hafenufer. Die durch den plötzlichen Lichteinfall zusammengekniffenen Augen der Soldaten entspannen sich mit der Zeit und sie erkennen durch den schmalen Ausstieg bereits die riesigen, roten Mauern des Palastes. Neugierig versucht Dalin einen genauen Blick auf den Sitz der sagettarischen Königin zu werfen, doch bis auf den gewaltigen, rot leuchtenden Schutzwall ist nichts zu sehen. Er wagt es nicht, noch einen weiteren Schritt vorwärts zu machen, auch wenn er dann wahrscheinlich etwas mehr erkennen würde. Ein lautes Scheppern, dann ist auch die Rampe fest mit dem Schiff verankert.
„Sie haben die Erlaubnis, die Hauptstadt zu betreten“, schreit eine männliche Stimme von der anderen
Weitere Kostenlose Bücher