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Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)

Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)

Titel: Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Bergemann
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verachtet er die Regeln und Vorschriften, die vor allem für seine Mutter bei der Ausübung ihres Glaubens so wichtig ist. Vor etwa neun Jahren, als er bei seinem Onkel Othan die Ferien verbrachte, begann sein innerer Widerstand gegen den alt-rashanistischen Glauben. Othan, der Bruder von Lithans Mutter Beetha, lebte in einem Dorf in der Nähe des Südhurthwaldes. Während sich in den großen Städten des Landes ganz langsam eine liberalere Gesellschaft entwickeln konnte, die eine vollständige Auslegung des Lebens auf die Ehrerbietung Gottes ablehnte, ohne den Glauben an eine göttliche Macht völlig zu verlieren, sind solche Entwicklungen in den ländlichen Gegenden und Dörfern unmöglich. Lithans Onkel war selbst kein strenggläubiger Mensch und war immer gegen die strenge Hand seiner Schwester gegenüber ihrer Familie.
    Als auf dem Marktplatz des Dorfes eine Familie von Liberalisten vorgeführt und von der pöbelnden Menge unter dem Deckmantel der Gottesfürchtigkeit niedergeschlagen wurde, war Lithan entsetzt. Nie hätte er sich vorstellen können, dass Menschen, die behaupten an Gott glauben, derart gewaltsam gegen ihre Nachbarn vorgehen, nur weil diese nicht glauben. Oder zumindest nicht so, wie sie es in den Augen des Pöbels tun sollten. Als ihm seine Mutter jedoch zu verstehen gab, dass sie den offenen Hass gegen die Liberalisten nachvollziehen könne, setzte nach und nach der innere Bruch Lithans gegen seine Mutter und an das, das sie vertrat, ein. Nie fand er den Mut, sich offen gegen die Herrschaft seiner Mutter aufzulehnen. Die Bande zu seiner Familie, seinen Geschwistern und zu seinem Onkel waren zu stark, um mit ihnen zu brechen.
     
    Die nächsten Stunden auf Lithans Zimmer vergehen kaum. Wie immer. Wie viele Brüder vor ihm haben wohl schon in das Kopfkissen geschwitzt? Wie lange hat es wohl gedauert, bis die anderen Brüder vor ihm bemerkt haben, dass die Sonne etwa eine Stunde vor dem Abendessen für einen kurzen Moment durch das schmale Zimmerfenster scheint? Hätte er einfach von zu Hause verschwinden und sich vielleicht der Armee im Kampf gegen die Feuerkönige anschließen sollen? Wer von den früheren Bewohnern seines Zimmers hat jemanden zurückgelassen, ohne dieser Person zu sagen, was er tatsächlich für sie empfindet? Doch mit diesem Thema will sich Lithan nicht wirklich beschäftigen. Vor allem während der langen Reise ins Kloster war er von sich selbst enttäuscht. Er hat sich geärgert, dass er Farran nicht gesagt hat, was er für ihn empfindet, obwohl dieser ihn noch am Tag vor seiner Abreise direkt nach seinen Gefühlen gefragt hat. Lithan setzt sich wieder auf, schüttelt kurz seine Arme und den Oberkörper, um seine Gedanken wieder freizumachen. Mit einem tiefen, befreienden Seufzen schafft er es tatsächlich, wieder zur Ruhe zu kommen.
    Nach einem niemals enden wollenden Tag voller Stille, in der Lithan mit seinen Gedanken allein war, wirken die Gespräche seiner Brüder, die sich im Speiseraum zusammengefunden haben, umso lauter und schon fast störend. Lithan sitzt mitten im abendlichen Getümmel. Die Tische sind voll besetzt. Mit der plötzlichen Nähe zu seinen Brüdern hat er allerdings keine Schwierigkeiten. Enge ist er nach all den Stunden in seinem Zimmer gewohnt. Zwar sind die Brüder auch während ihrer gemeinsamen Zeit im Speiseraum zur Ruhe aufgefordert, doch selbst Leidensgenossen, die bereits seit mehreren Jahrzehnten freiwillig hier verweilen, nutzen diese Minuten vor dem Essen zum geselligen Austausch.
    Der beißende, schwitzige Geruch der anderen Brüder schmälert die Freude auf das Abendmahl nicht im Geringsten. Es wird hörbar ruhiger in dem Raum, der zwar sehr viel größer und höher ist als die persönlichen Schlafzellen, allerdings genauso leblos und grau wirkt wie das übrige Kloster. Von den Deckenmalereien, die eigentlich Motive aus der Schaffung der Welt durch die Herrscher der Elemente darstellen sollen, ist kaum noch etwas zu erkennen. Die Zeit hat im Laufe der Jahrhunderte fast vollständig die Farbe aus dem Gemäuer herausgewaschen.
    Yuthian Silberberg hat soeben den Raum betreten. Er ist der oberste Klostervater, daher reagieren die meisten Brüder mit respektvollem Schweigen. Allerdings kann Lithan sehr gut beobachten, wie die ganz jungen und die ganz alten Brüder weniger angespannt und sich unbeeindruckt geben. Offenbar haben die älteren Brüder schon ihre Erfahrungen mit Yuthian gemacht und wissen, dass dieser zumindest zu ihnen nicht so

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