Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)
Klosterbrüder abzuwenden. Doch er möchte vor dem Frühstück mit Yuthian Silberberg noch einmal nach den Einhörnern sehen. Botin ist bei seinem Weg durch das Kloster zum Innenhof, auf dem sich die Einhörner befinden, überrascht, wie viel so früh am Morgen in den Klostergängen los ist. Zwar ist einigen, vor allem jüngeren Mönchen die Müdigkeit noch deutlich anzusehen, doch insgesamt herrscht ein reges, freundlichen Treiben in den Gängen. Botin erreicht nach wenigen Minuten den großen Hof, der vollständig von den Gemäuern des Klosters eingekreist ist. Auf dem quadratischen, auf jeder Seite etwa dreihundert Meter breiten Gelände, dass nur durch einen schmalen Weg am Rande der Grünfläche begehbar zu sein scheint, stehen mehrere Laubbäume, die deutlich über die Dächer des Klosters hinüber ragen. Zwischen ihnen wächst eine wilde Wiese mit Gräsern und zahlreichen Kräutern, auf der über die gesamte Fläche verteilt die Einhörner stehen.
Botin ist erleichtert, als er sieht, dass es ihnen gut zu gehen scheint. Bevor er zu seinem Frühstück mit dem Klostervater aufbricht, möchte er noch eine Runde um die Wiese herum laufen. Erst jetzt, wo die Morgensonne langsam anfängt, den Wald und das Kloster in ein zögerliches Licht zu tauchen, erkennt Botin, dass die Außenmauern des Klosters mit diversen, zum Teil sehr schönen, blühenden Pflanzen bewachsen sind. Insekten durchsuchen die Blüten, die in allen erdenklichen Farben an den Mauern des Klosters leuchten, nach Nektar. Die Luft ist frisch. Botin atmet tief ein und stellt fest, dass er den Geruch des Waldes noch immer fast genauso entspannend und aufbauend findet wie die Winde der See.
„Guten Morgen“, begrüßt ihn eine Stimme. Botin schaut sich um und entdeckt Lithan Nachtwald, der auf einer kleinen, moosbewachsenen Bank sitzt, die an der Klostermauer steht.
„Auch Euch einen guten Morgen, Bruder“, erwidert Botin freundlich mit einer angedeuteten Verbeugung.
„Nennt mich bitte Lithan“, erwidert dieser, während er seinen Blick wieder auf die Einhörner richtet. Botin nickt bestätigend und bemerkt, das Lithan die Einhörner ungläubig, schon fast skeptisch beobachtet. Er setzt sich zu ihm auf die Bank. Es verwundert ihn, dass dieser junge Bruder die Einhörner ganz offensichtlich anders wahrzunehmen scheint als die übrigen Klosterbewohner.
„Es ist erstaunlich, wie man allein durch die Nähe zu diesen Wesen berührt wird, nicht wahr?“, fragt er Lithan. Dieser schweigt und muss über seine Antwort nachdenken.
„Das sagt man zumindest“, meint er zögerlich und zuckt dabei vorsichtig mit den Schultern.
Wenn Botin an die anderen Brüder denkt, die respektvoll, aufgeregt und dankbar für die Anwesenheit der Einhörner sind, ist die Reaktion von Lithan für ihn unverständlich. Er hält sich auch nicht für den gläubigsten Menschen in Hurth, doch scheint er mehr an die mythologische Rolle der Einhörner zu glauben, als es Lithan tut, der immerhin ein Gewand der klösterlichen Bruderschaft trägt.
„Das klingt nicht sehr klösterlich, oder?“, fragt er mit einem vorsichtigen Lächeln.
„Vieles hier klingt nicht sehr klösterlich, oder sieht klösterlich aus oder fühlt sich klösterlich an“, antwortet Lithan energisch, in Erinnerung an seine ersten Tage hier, die er als unangenehm und demütigend empfand.
„Und jetzt sitzt Ihr hier und sucht nach Eurem verloren gegangenen Glauben?“, möchte Botin wissen.
„Vielleicht suche ich nach Antworten“, entgegnet Lithan unsicher, da er lieber mit man kann nichts verlieren, was man nicht besitzt geantwortet hätte. Doch er hält sich dem fremden Soldaten gegenüber zurück.
Er schaut Botin an. „Ich weiß nicht.“
„Und auf welche Fragen?“, möchte der Hauptmann wissen.
„Ob das hier der richtige Platz für mich ist“, sagt Lithan, ohne lange darüber nachzudenken. Er schaut den Hauptmann an und fragt ihn, während er Botin gespannt anschaut. „Und Ihr? Ihr kämpft im Feuerkrieg, nehme ich an?“
„Das tue ich“, antwortet Botin und erwidert Lithans eindringliche Blicke, „Aber das fühlt sich auch nicht sehr klösterlich an.“
„Aber Ihr tut etwas, woran Ihr glaubt“, vermutet Lithan. Doch Botin schüttelt den Kopf. Er merkt, wie Lithan nach Ehre und Gerechtigkeit in der Kriegstreiberei sucht, und fühlt sich an seinen Sohn erinnert.
„Es geht um die Verteidigung unseres Landes. Aber das mit dem Glauben hört auf, wenn man sich an das Töten gewöhnt
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