Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)
versuchte. Doch am liebsten wollte er die Augen schließen, zu sich selbst sagen, dass alles nur ein böser Traum sei und dann in einen von den ersten, morgendlichen Sonnenstrahlen erleuchteten Bett aufwachen.
Als er ein nur zur Hälfte eingestürztes, mehrstöckiges Wohnhaus entdeckte, dessen Fassade mit aufwendigen, historischen Motiven aus Stein und Stuck verziert war, kehrte sein Orientierungssinn zurück. Schon immer fiel ihm dieses Haus auf. Es war nicht aufwendiger gestaltet als die anderen Häuser im Hafenviertel, doch die Darstellung der Figuren und ihre farbliche Abhebung vom Rest des Gebäudes haben Botin besonders gefallen. Nachdem das von Ruß und Asche bedeckte Gebäude ihm den Weg wies, lief er los. Zu seiner Erleichterung bot sich ihm, je weiter er in die Stadt hineinlief, ein weniger chaotisches Bild. Flammen und Rauch schlugen vereinzelt aus den beschädigten Häusern. Die Zerstörungen waren im Vergleich zu denen am Hafen aber überschaubar. Als er in die Straße einbog, in der das Haus seiner Familie stand, fiel ihm eine tiefschwarze Kutsche auf, vor die ebenso tiefschwarze Pferde gespannt waren, die still, beinahe leblos vor dem Gefährt gespannt waren. An dem dunkelroten Wappen auf der Rückseite der Kutsche erkannte er, dass es sich um eine der Totenkutschen handelte, mit denen gefallene Soldaten zu ihren Familien nach Hause gebracht werden. Botin bekam es mit der Angst zu tun, als vier Soldaten in schwarzer Uniform zur Kutsche zurückkehrten und aus seinem Haus kamen. Seine Schritte wurden immer schneller, doch noch bevor er den Aufgang zu seinem Haus erreichte, war die Kutsche bereits losgefahren. Sein Gesicht wurde bleich, als er sich nach einem letzten Blick auf die davon fahrende Kutsche zu seinem Haus umdrehte. Im Haus herrschte eine trügerische Stille. Botin schloss die Tür hinter sich und blicke vorsichtig in jedes Zimmer, während er langsam den schmalen Hausflur entlang ging. Von den gezeichneten Familienportraits, die an den hellbraunen Wänden hingen, blickten farbenfrohe, aber ausdruckslose Gesichter auf ihn herab. Schon immer, doch besonders in diesem Augenblick, ging er unbeeindruckt und gleichgültig an den Kunstwerken vorbei. Vor ihm lag die Tür zum Wohnbereich. Die Tür war einen Spalt weit geöffnet. Sie knarrte laut, als er sie öffnete. Er ging hindurch. Vor ihm saß mit gesenktem Blick seine Frau auf einem großen, mit dunkelbraunem Fell überzogenen Sessel. Sie trug ein dunkelblaues, weites Kleid und darüber eine hellgraue Strickjacke. Als Faana ihren Kopf hob, bemerkte Botin ihr rotes, tränenüberströmtes, aber dennoch regloses Gesicht.
„Bist du jetzt zufrieden?“, fragte sie ihn mit leiser, zitternder Stimme. Doch Wut und Zorn stiegen in ihr auf. Das konnte Botin eindeutig erkennen. Dafür kannte er Faana einfach zu gut. „Bist du jetzt zufrieden?“, schrie sie ihren Mann an, noch bevor dieser auf ihre erste Frage antworten konnte.
„Was ist passiert?“, wollte Botin wissen, während er langsam auf sie zuging. Faana stand auf, wischte sich mit den Händen die Tränen aus dem Gesicht, ging wutentbrannt an Botin vorbei und öffnete die Tür zum Durchgangszimmer.
„Du hättest das verhindern können!“, warf sie Botin vor, der entsetzt in den kleinen, schmalen Raum blickte und seinen toten Sohn Ratin in einem geöffneten, dunkelbraunen Sarg liegen sah. Alle seine Sinne schienen ihn in diesem Augenblick zu verlassen. Er hörte weder die Schuldvorwürfe seiner Frau, noch sah oder roch er die Blumen, die im Raum aufgestellt waren. Während er langsam auf seinen Sohn zuging, erinnerte er sich an die langen, quälenden Gespräche mit Feena, als Ratin die Entscheidung traf, seinem Vater zu folgen und sich dem Heer der Hurth anzuschließen. Er konnte und wollte seinem Sohn nicht verbieten, sich selbst für seinen eigenen Lebensweg zu entscheiden. Doch die Vorwürfe, die seine Frau ihm nun machte, ließ beide noch weiter auseinanderdriften. Jetzt blickt er auf den leblosen Körper seines Sohnes. Dieser grauenhafte Anblick, wie der gerade erst zwanzigjährige Junge in seiner glänzenden Rüstung mit seinem Schwert, das er mit auf der Brust verschränkten Händen hielt, und einem seligen, unschuldigen Gesicht in dem Sarg lag, ließ keine Regung in Botin zu. Ratin starb bei einem Gefecht zwischen den Hurth und den Karden an der nordöstlichen Grenze. Die Rüstung verbarg die tödlichen Verletzungen vor seinen erschütterten Eltern.
„Die Bastarde deiner Hure
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