Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)
genährten, grauhaarigen General, der mit einem lauten, selbstverliebten Lachen und von sich und seiner Laufbahn im Heer überzeugt erzählte. Über Stunden hatte Fanyik, ob er nun wollte oder nicht, Nachhilfeunterricht in den Strukturen des Heeres erhalten. Stunden, die er aber nachträglich gut bezahlt bekam. Nie hätte Fanyik geglaubt, dass das eingebildete und hochnäsige Verhalten dieses fetten Würdenträgers ihn einmal nützen würde. Er konnte anhand der Wappen auf der Rüstung seines Kunden eindeutig feststellen, dass sein schlafender Besucher eng im königlichen Stab arbeiten musste. Fanyik musste kräftig schlucken. Auf dem Griff des Schwertes war tatsächlich das goldene, mit Silber umrandete Wappen der königlichen Familie zu erkennen. Der schlangenartige Natternfisch, der unter der königlichen Krone eng umschlungen mit einem Steppenwolf kämpfte. War der betrunkene, lallende Soldat, der behauptete, auf Frauen und Brüste zu stehen, etwa der Bruder der Königin? Wer sonst sollte so ein Schwert mit sich tragen. Eines war Fanyik klar: Madame Vinnat durfte einige klärende Fragen von ihm zu erwarten haben.
Mit gehetzten Schritten hastet Fanyik Nerryth durch die breiten Korridore des sagettarischen Palastes. Durch die großen, weit geöffneten Fenster weht die wilde Sommerluft hinein und lässt die bunten, meterlangen Vorhänge tanzen. Etwas mehr als drei Jahre sind vergangen, seit Fanyik im Freudenhaus von Madame Vinnat die neu geprägten Münzen der Königin auf seiner Kommode vorfand. Auf dem Weg in die Gemächer der Königin läuft ihn Prinz Sayos, der Bruder der sagettarischen Herrscherin, über den Weg.
„Warum die Eile, Bursche?“, fragt Sayos mit einem abfälligen Grinsen, „Verlangt meine Schwester wieder nach deinen speziellen Diensten?“
„Hat sie gesagt, was sie von mir möchte?“, möchte Fanyik wissen.
„Ich hab sie gebeten, mir nicht zu erzählen, was sie mit dir so treibt“, antwortet Sayos.
„Ich war erst gestern Abend bei ihr“, meint Fanyik lustlos.
„Tröste dich, Schönling“, antwortet Sayos und lächelt durch seinen kurzhaarigen Vollbart, „Du darfst die Königin in diesen schweren Zeiten auf andere Gedanken bringen.“
„Du kannst froh sein, dass du ihr Bruder bist“, sagt der junge Mann mit den kurzen, schwarzen Haaren zu Sayos, „Sonst wärst wahrscheinlich du für ihre Ablenkung zuständig.“
„Für diese Art von Ablenkung bin ich ihr etwa zehn Jahre zu alt“, antwortet Sayos und zwinkert Fanyik mit seinen strahlend blauen Augen zu. Sayos bemerkt die Enttäuschung in Fanyiks Augen, als er sich wieder auf den Weg macht.
„Wohin gehst du?“, ruft ihm Fanyik hinterher.
„Zur Ratskammer. Der Widerstand verlangt nach mir“, erwidert der Prinz, ohne sich nach dem Jungen umzudrehen.
Fanyik schaut dem Bruder der Königin noch einen Moment nach, bis dieser irgendwann abbiegt und in einem der zahlreichen Gänge verschwindet. Es ist etwa zwei Jahre her. Fanyik war siebzehn Jahre alt und verdiente sich sein Geld in den Straßen von Bilanis Ixis, nachdem er von Madame Vinnat aus ihrem Bordell hinaus geworfen wurde. Die Arbeit auf der Straße war für einen jungen Mann wie Fanyik wesentlich riskanter als in einem Freudenhaus. Als er eines Tages an einen Kunden geriet, der über die vereinbarten Leistungen hinaus Dienste von Fanyik einforderte und sich dieser zu wehren versuchte, war es Sayos, der selbst einige Zimmer weiter gerade die Dienste einer Straßendame in Anspruch nahm, der dazwischen ging und Fanyik das Leben rettete. Sayos fasste sich ein Herz und nahm Fanyik mit in den Palast. Ihm war klar, dass der junge Mann obdachlos und ohne Sinn in seinem jungen Leben den Alltag in den Straßen von Bilanis Ixis bestritt. Bis heute weiß Fanyik nicht, ob es tatsächlich nur menschliche Nächstenliebe war, die Sayos zu seiner heldenhaften Tat trieb. Schließlich haben sich beide schon einige Monate zuvor kennengelernt, als Sayos in Fanyiks Bett eingeschlafen war.
Nur wenige Tage nach Fanyiks Ankunft im Palast ist er der Königin zum ersten Mal aufgefallen. Doch ihre musternden Blicke machten ihn nervös. Sie fühlte sich von dem jungen, drahtigen Mann mit seinen dunkelblauen Augen und den kurzen schwarzen Haaren angezogen. Heute steht er der Königin, im Gegenzug zu seinem Leben im Palast, wann immer es ihr beliebt, zur Verfügung.
Vor den Türen zu den privaten Gemächern der Königin stehen zwei mit Schwertern bewaffnete Palastwachen, die Fanyik ohne zu
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