Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)
die Hand, um seine Leute zur Waffenruhe aufzufordern. Der General erhebt sich hinter dem schwer verletzten Einhorn und schaut Botin an. Die anderen Einhörner blicken voller Sorge auf ihren mit dem Tode ringenden Artgenossen.
„Und so hoffe ich darauf, dass meine Familie mir verzeihen wird und ich sie im nächsten Leben wiedersehe“, flüstert der General dem verwundeten Einhorn zu, schaut Botin noch einmal an und holt mit seinem Schwert zum endscheidenden Schlag aus.
Noch bevor er von Pfeilen der Hurth gestoppt werden kann und er tot zu Boden fällt, muss Lithan entsetzt mit ansehen, wie das Schwert des Generals tief in den Hals des Einhorns schneidet, ohne dem Wesen dabei komplett den Kopf abzuschlagen. Doch die klaffende, tiefe und stark blutende Wunde ist zu groß und das Einhorn bereits zu erschöpft. Es ist nur wenige Sekunden nach diesem letzten Schlag tot. Lithan ist entsetzt und bekommt Angst, als er die anderen Einhörner sieht, die mit ihren großen, tiefschwarzen Augen auf den Körper ihres toten Artgenossen starren.
„Du teilst deinen Schmerzen mit uns, wir teilen unseren Schmerz mit dir“, sagt Botin zu dem sprachlosen Lithan. Hatte er sich bisher für einen stummen Zeugen dieser Bluttat gehalten, wird er nun, völlig unerwartet, mit hineingezogen.
„Was?“, fragt er Botin entgeistert.
„Wir haben dich beobachtet“, antwortet dieser, „Uns und auch dir die Augenblicke vor Augen geführt, an dem du Entscheidungen mit dem Verstand getroffen hast, die du lieber mit dem Herzen hättest treffen sollen.“
Lithan versteht nun. Es sind die Einhörner, die über Botin mit ihm kommunizieren.
Er geht auf die um den Körper ihres toten Artgenossen stehenden Wesen zu. „Was wollt ihr von mir?“
„Du bist es, der etwas von uns möchte“, sagt die blutverschmierte, auf dem durchnässten Waldboden liegende Leiche des kardischen Generals, „Du hast uns aufgesucht.“
„Auf der Suche nach Antworten“, erwidert Lithan ehrfürchtig.
„Bist du sicher, dass es Antworten von uns sind, die du sucht, oder Fragen, die du dir selbst schon seit so langer Zeit stellst?“, möchte Botin wissen, der von hinten seine Hand auf Lithans Schulter legt.
„Ich verstehe nicht ganz“, behauptet Lithan, der aber ganz genau weiß, worauf die Einhörner in Botins Gestalt hinaus wollen. Der tote Kardengeneral packt Lithan am Fußgelenk. Dieser weicht erschrocken zurück.
„Wieso bist du wirklich hier?“, fragt ihn der Tote, dem sein eigenes Blut aus dem Mund läuft.
„Ich…“, Lithan zögert. Er schafft es nicht, tief in sich hinein zu schauen, um die Frage der Einhörner zu beantworten, „Ich weiß es nicht.“
Botin und der tote General lösen ihre Berührung. Während der Tote wieder seine leblose Position einnimmt, kehrt Botin zu seinen Soldaten zurück. „Dann suche uns erst wieder auf, wenn du Klarheit gefunden hast“, ruft Botin, während die Einhörner ihre Köpfe heben und Lithan anschauen.
„Wartet!“, ruft er verzweifelt in den Wald. Botin bleibt stehen, die Augen des toten Generals öffnen sich. Keiner der beiden sagt ein Wort.
Es ist an Lithan, in sich zugehen, allen Mut zusammenzunehmen, und sowohl den Einhörnern als auch sich selbst ehrlich zu sein. „Ich bin auf der Suche nach meinem Weg im Leben.“
„Zuerst musst du dir über das im Klaren sein, was du in deinem Leben erreichen möchtest“, erklärt ihm Botin, „Du musst das Ziel kennen, bevor du dir über den Weg Gedanken machst.“
„Und diese Frage kannst du dir nur selbst beantworten“, fügt der tote General hinzu.
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Entscheidung treffen kann“, zweifelt Lithan.
„Wir haben dir die Türen bereits aufgestoßen“, erwidert Botin, „Erkenne und nutze die Möglichkeiten deiner Reise und gehe hindurch.“
Lithan nickt. „Ich versuche es.“
„Wie? Was versuchst du?“, fragt ihn Watin Immerlein irritiert, während er auf der inzwischen von der abendlichen Dunkelheit verhüllten Wiese vor Lithan steht.
„Was ist passiert?“, fragt Lithan verunsichert und schaut sich orientierungslos um.
„Das möchten wir gern von dir wissen“, antwortet Bithan, der neben Watin steht.
„Ich bin mir nicht sicher“, erwidert Lithan, „Was tut ihr hier?“
„Du bist nicht zum Abendmahl erschienen“, erklärt ihm Bithan, „Der Klostervater hat uns losgeschickt, um dich zu holen.“
Lithan schaut sich nach den Einhörnern um, die auf der Wiese stehen und von dem frischen Gras
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