Söhne und Töchter des Feuers, Band Eins: Verbrannte Hoffnung (German Edition)
des blau leuchtenden Ozeans mehrere Hundert Meter bis zu den kleinen, nur wenig bewachsenen Dünen. Lithan blickt nach rechts in nördliche Richtung und erkennt, einige Kilometer entfernt, die Umrisse der großen Glockentürme von Ansuli, der Hauptstadt des Landes Hurth.
„Das ist es“, bestätigt Lithan Farrans Bewunderung.
„Leg dich doch zu mir“, bittet Farran seinen Freund. Zwar zögert Lithan etwas, erfüllt Farran aber schließlich seinen Wunsch. Ihre Arme berühren sich und Lithan bemerkt, wie Farran vorsichtig mit seinem Zeigefinger seinen Handrücken streichelt. Es war immer Farran, der versucht hat, die Entwicklung der Beziehung zwischen ihnen voranzutreiben. Lithan, der nun vollkommen in diese illusionären Erinnerungen angekommen ist und seinen Weg hier her vergessen hat, ergreift die Initiative. Er nimmt Farrans Hand und drückt sie fest. In diesem Augenblick könnte es Lithan nicht weniger egal sein, das die tiefe Freude über das Zusammensein mit Farran auch körperlich zu bemerken ist. Nur Farran könnte erkennen, was sich gerade in Lithans Lendengegend tut. Doch Lithan weiß, dass es Farran kaum anders gehen wird. Keiner der beiden ahnt, dass die Geschichte damals einen anderen Lauf nahm.
„Alles in Ordnung?“, fragt dieser und schaut Lithan fragend an. Er erwidert seinen Blick, beugt sich zu Farran herüber und küsst ihn leidenschaftlich.
„Soll ich dir etwas verraten?“, fragt Lithan atemlos, während er Farran nach dem langen, innigen Kuss verträumt anschaut.
„Wenn du es schaffst, den nötigen Mut aufzubringen“, antwortet dieser, der die Zweifel und die Sorgen Lithans um die Meinung seiner Mutter kennt. Lithan drückt Farrans Hände noch fester.
„Ich denke schon“, seufzt Lithan und muss seine Aufregung herunterschlucken, „Ich liebe dich, Farran.“
Plötzlich wird ihm kalt. Panisch schaut er in den Himmel, als sich dieser innerhalb weniger Sekunden pechschwarz färbt. Wie schwarze Tinte verteilt sich die leblose Finsternis über ihn und um ihn herum. Dann kehren seine Erinnerungen zurück und er realisiert, das diese Begegnung mit Farran, die intime Erinnerung an ihren letzten, gemeinsamen Tag, nur ein Trick seines Geistes war. Mit Tränen in den Augen muss er tatenlos mit ansehen, wie Farran, zusammen mit den Weiten des Strandes, in der zurückgekehrten Finsternis verschwindet.
„Tränen werden dir nicht helfen!“, faucht ihn seine Mutter an.
Nervös und wieder ohne eine Ahnung, was passiert ist und wo er sich befindet, schaut sich Lithan um. An der Wand hängt ein großes Bild eines grimmig schauenden Mannes mit dicken Backen und tief herunterhängenden Mundwinkeln. Überheblich blickt er aus seinem silbernen Rahmen in das leblose Wohnzimmer. Die teuren und edlen Möbel können die unpersönliche Einrichtung nicht verbergen. Nie hat sich Lithan hier wirklich wohlgefühlt. Er ist im Haus seiner Familie in einem Vorort von Ansuli. Die dicken, dunkelblauen Vorhänge sind zugezogen. Nur etwas Tageslicht dringt durch einen schmalen Spalt hindurch. Er sitzt mit seiner Mutter Beetha an einem großen, runden Tisch, auf dem eine von ihr selbst genähte Tischdecke liegt. Das einzige Stück, das nicht irgendwo gekauft wurde. Vor beiden steht eine Tasse Tee.
„Was meinst du?“, fragt er seine Mutter, die ein aus mehreren, schwarzen und weißen Stofflagen bestehendes, bis zum Hals zugeknüpftes Kleid trägt.
„Meine Entscheidung steht“, faucht sie Lithan an, „ Das meine ich.“
Er erinnert sich. Es ist der Tag, an dem seine Mutter ihn informierte, dass er demnächst ins Kloster aufbrechen wird. Als ihn die Erinnerung an diesen Tag bewusst wird, vergisst er sofort wieder den wahren Grund für seine Rückkehr an diesen schicksalhaften Tag.
„Du glaubst nicht, dass es andere Möglichkeiten gibt, wie ich die Traditionen dieser Familie achten kann?“, fragt er seine Mutter.
„Werde nicht albern“, spottet sie über den Versuch ihres Sohnes, sich den Vorgaben der Familie hinweg zu setzen, „Ich kenne deine rebellischen Züge nur zu gut. Ein Grund mehr, gerade dir die alten Klosterriten einzubläuen.“
Schockiert über die kühlen und kaltherzigen Äußerungen seiner Mutter schüttelt Lithan den Kopf.
„Bist du jemals auf die Idee gekommen, dass deine Kinder ihren eigenen Weg für sich entdecken möchten?“, fragt er seine Mutter.
„Der Weg der Kinder in dieser Familie wird durch Jahrhunderte alte Traditionen bestimmt“, erinnert sie ihn, „Das war immer so
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