Söldner des Geldes (German Edition)
unterhalb der Brücke. Schultern und Kopf waren dort, wo vor Sekunden noch die Bodenbretter lagen. Leerer Abgrund.
Winter atmete aus: «Festhalten! Ich komme!»
«Schnell. Ich kann mich nicht halten.»
Er schob sich mit den Füssen entlang dem Seil in Fatimas Richtung. Zug um Zug. Beinlänge um Beinlänge. Die dünne Querstrebe quietschte in den seitlichen Halterungen.
«Ich bin gleich da. Nicht bewegen.»
Er hatte dem Schützen den Rücken zugekehrt und rechnete jederzeit mit einer Kugel. Er erreichte einige Meter unbeschädigte Brücke und hetzte zu Fatima.
Hatte der Schütze sein Magazin leer geschossen? War er am Nachladen? Hatte er gar eine Ladehemmung? Er hatte den Schützen aus dieser Distanz nicht ausmachen können. Es konnte durchaus sein, dass er über fünfhundert Meter entfernt war. Aber Winter hatte keine Zeit zum Nachdenken, denn vor ihm öffnete sich der Abgrund. Fatima rutschte zwei Meter vor ihm an der dünnen Querstrebe unter ihrem Kinn in die Tiefe.
Er setzte seine Füsse wieder nebeneinander auf das Trägerseil und tastete sich vorsichtig an Fatima heran.
Sie traute sich nicht, den Kopf zu heben, spürte nur das verstärkte Wippen des Seils und wimmerte: «Winter?»
«Ich bin da.»
Er schob sich langsam zu ihr heran.
Fatima starrte ihn an, und er lächelte aufmunternd: «Ich hole dich da raus.»
Um einen sicheren Halt zu haben, harkte er seine Absätze am Seil fest und verstärkte seinen Griff mit der linken Hand am oberen Seil. Dann liess er seine Rechte los und ging in die Knie. Er griff Fatimas linken Unterarm und zog sie langsam nach oben. Die Stichwunde vom Golfplatz schmerzte höllisch, und die Narbe platzte unter der Anspannung wieder auf. Das Blut vermischte sich mit demjenigen der frischen Splitterwunden.
«Fatima, nimm einen Fuss hoch.»
Fatimas Bauch war nun auf der Höhe des Tragseils, und sie versuchte mit dem Fuss darauf Tritt zu fassen. Aber sie fand keinen festen Halt. Winters Hände verkrampften sich. Fatimas Handgelenk begann ihm aus der blutigen Hand zu gleiten. Das dicke Stahlseil scheuerte seine andere Hand auf. Die Zeit wurde knapp.
Winter biss die Zähne zusammen.
Er mobilisierte seine letzten Kräfte.
Mit Schwung zog er Fatima nach oben, aber ihre Füsse verfehlten das Tragseil wieder, und sie fiel zurück ins Bodenlose. Die Querstrebe brach aus der Halterung. Fatima unterdrückte einen Schrei.
Sie hing an Winters Arm und baumelte über dem Abgrund.
Winters Schultern wurden auseinandergerissen. Seine Finger krallten sich in Fatimas Unterarm, aber der Haltegriff am Seil wurde schwächer. Winters Knöchel waren weiss. Zwischen den Fingern quoll Blut hervor.
Er holte tief Luft. Durch den Sturz hatte die Brücke stärker auf und ab zu schwingen begonnen, und Winter nutzte eine Aufwärtsbewegung, um mit letzter Kraft Fatima nach oben zu ziehen.
Sie fuchtelte mit dem freien Arm und bekam das obere Seil auf der anderen Seite zu fassen. Das war gut. Sie konnte einen Fuss auf das untere Halteseil setzen.
«Sehr gut. Jetzt steh auf und halte dich mit beiden Händen fest.»
Fatima begann sich ganz vorsichtig aufzurichten. Die Seile wackelten und vibrierten, aber es gelang ihr, sich hochzuziehen und auch mit dem zweiten Fuss Halt zu finden. Sie stand eigenartig verdreht und starrte in die Tiefe. Sie verkrampfte sich und rutschte mit einem Fuss aus, konnte sich aber selbst auffangen und wieder Tritt fassen.
Winter sagte: «Ganz ruhig. Wir sind beinahe in Sicherheit. Ich lasse jetzt deinen Arm los.» Sie standen beide aufrecht, und er fügte hinzu: «Fatima, schau. Am besten geht es, wenn du die Füsse so entlang dem Seil schiebst.»
In diesem Augenblick zerrte etwas an seinem Rucksack, die Aluminiumflasche machte: «Pling», und er erhielt einen Schlag in den Rücken. Eine Kugel hatte sich in den Rucksack gebohrt und die Thermosflasche durchschlagen.
Der Schlag wirbelte Winter herum.
Seine Füsse verloren den Halt. Die Brücke neigte sich bedrohlich zu Seite. Er schwang nach aussen. Diesmal war kein Bungee-Jumping-Seil da.
Er schrie: «Aahhrgh!»
«Winter!»
Fatima wollte ihre Hand ausstrecken, musste sich aber selbst festhalten. Die Seile wippten wild. Eine Kugel strich durch Fatimas Haar, aber sie merkte es nicht. Die Jo-Jo-Bewegungen machten es dem Schützen schwer. Während die Kugeln flogen, verschob sich das Ziel.
Er schrie: «Schnell!»
Fatima schob sich auf dem Seil in raschen Zügen in Richtung der Felsnase, erreichte die letzten intakten Meter
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