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Söldner des Geldes (German Edition)

Söldner des Geldes (German Edition)

Titel: Söldner des Geldes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Beck
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Trinkwasserreservoirs hatte sich der Gletscherbach tief in den nackten Fels eingegraben.
    Winter fühlte, wie ihm der Schweiss den Rücken hinunterlief. Sein Hemd klebte unter dem Rucksack.
    Fatima schien nicht zu schwitzen und folgte ihm unbeirrt. Sie war fit und hatte ein gutes Gleichgewicht. Anfänglich hielt Winter an den besonders steilen und engen Stellen an, um ihr jeweils helfend seine Hand zu reichen. Nachdem sie seine Hilfe einige Male abgelehnt hatte, liess er es bleiben. Elastisch erklomm sie auch heikle Passagen.
    Das letzte Wegstück zur Windegghütte führte steil und im Zickzack den Berg hoch. Gegen Mittag erreichten sie den Windschatten der Hütte. Sie assen die mitgebrachten Brote, tranken Tee und schauten ins Tal. Weit unten konnten sie auf dem Parkplatz den Audi erkennen, neben dem ein grüner Geländewagen stand.
    Der Hüttenwart kam aus dem Stall, freute sich über die Gesellschaft und nötigte sie, seinen rezenten Alpkäse, den er drei Jahre hier oben in einer Gesteinshöhle gelagert hatte, zu verkosten. Er servierte den fein gehobelten Käse, eigenhändig eingelegte Gurken und zwei frische Tomaten auf einem Wurzelholzbrett. Fatima fragte den Alpkäser ungeduldig: «Und wo ist der Gletscher?»
    «Gleich um die Ecke», kam es in Englisch mit starkem Oberländerakzent zurück.
    Winter erklärte: «Die Briten haben vor mehr als hundertfünfzig Jahren das Berner Oberland als Tourismusdestination entdeckt.»
    «Die beste Sicht haben Sie von der Hängebrücke aus.»
    «Von der Hängebrücke?»
    Der Hüttenwart: «Ja, früher kam der Triftgletscher bis weit ins Tal herunter, und man konnte ihn problemlos traversieren. Dann ist ein grosser Teil weggeschmolzen. Klimaerwärmung. Der See aus Schmelzwasser wird immer grösser. Dank der Brücke müssen wir keinen langen Umweg zur Hütte machen.»
    «Es gibt eine Hütte, die noch weiter oben liegt?»
    «Ja, auf gut zweitausendfünfhundert Metern über Meer.»
    Der Hüttenwart nickte bedächtig. Zum Dessert gab es gedörrte Aprikosen und einen heissen Kaffee mit einem Schuss hochprozentigem Zwetschgenschnaps aus der Eigenproduktion.
    Sie bedankten sich, zahlten, brachen auf und sahen zehn Minuten später den Triftgletscher in der Sonne glitzern.
    Über einen Sattel quoll die eisige Masse in haushohen Stufen in die Tiefe. Längliche Spalten zerfurchten das mit Geröll bedeckte Eis. Im Talkessel lief die Gletscherzunge in einen milchigen Schmelzwassersee aus, in dem kleine Eisberge trieben. Der See wurde am Taleingang durch einen natürlichen Damm gestaut. Am schattigen Nordhang des Talkessels lagen noch vereinzelt Schneebretter vom letzten Winter.
    Fatima und Winter blieben stehen und liessen die unwirtliche, aber faszinierende Szenerie auf sich einwirken. Sie schwiegen. Dann sagte Fatima: «Das ist mein erster Gletscher.»
    «Und?»
    «Massiv.» Und nach einer Weile: «Ich fühle mich ganz klein.»
    «Für mich ist das beruhigend.»
    «Ja. Irgendwie strahlt das Tal Geborgenheit aus.»
    Winter legte den Arm um Fatimas Schultern und drückte sie an sich: «Ich verstehe das. Aber täusche dich nicht, der Gletscher mit seinen Spalten ist gefährlich, das Wasser des Sees eiskalt, und das Wetter kann hier oben sehr schnell umschlagen.»
    Fatima machte mit der Kamera ihres Mobiltelefons Fotos. Die kleinen Säulen, welche normalerweise die Empfangsqualität anzeigten, waren verschwunden. Sie befanden sich in einem Funkloch. Ein Helikopter mit einem tief hängenden Netz flog hoch oben vorbei. Nachschub für die Hütte oder Baumaterial für die Ausbesserung eines Weges.
    Sie wanderten weiter und erreichten am Ende eines Felskamms die Brücke. Zur Überraschung von Fatima war die Hängebrücke unendlich lang. Ein fragiles Nichts, das über dem Abgrund schwebte. Die Hängebrücke hatte eine Spannweite von fast zweihundert Metern und hing hundert Meter über dem Abgrund.
    «Verflixt.»
    Fatima kannte solch wackelige Hängebrücken nur aus Entwicklungsländern. Die Hängebrücke sah zum Glück neu aus. Sie beugte sich vorsichtig vor: Tief unten schäumte der Gletscherbach über die natürliche Talsperre und verschwand in einer Schlucht.
    Sie hielt inne und sog die Luft ein. Das würde schlimmer als die Fahrt mit der schwankenden Seilbahn werden. Ihr Kopf sagte: Die Brücke hält auf jeden Fall. Die Schweizer sind zuverlässig. Ihr Bauch sagte: Niemals! Ein flaues Gefühl machte sich in ihrem Magen breit. Die angeborenen Reflexe wehrten sich automatisch gegen den

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