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Söldner des Geldes (German Edition)

Söldner des Geldes (German Edition)

Titel: Söldner des Geldes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Beck
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riss diesen schmerzhaft aus seinen Gedanken: «Kommen Sie. Mir wird kalt. Und in meinem Alter will man sich keine Erkältung mehr holen. Wir sollten wieder hineingehen und uns amüsieren.» Sie gingen zurück ins Restaurant «Bollywood». Während des Tages wurden hier indische Gruppentouristen verköstigt.

6.   August 22:10
    Winter musste auf die Toilette. Um bei der Degustation des Kirsches mit dem Russen mithalten zu können, hatte er viel Wasser getrunken. Nach der Kälte wollte dieses jetzt raus. Er stand allein und in voller Aktion am Pissoir, als plötzlich die Ländlermusik anschwoll und von Tobler mit gelockerter Krawatte hereinschwankte.
    Obwohl es ein Dutzend Urinale hatte, stellte er sich neben Winter. Die Schultern berührten sich. Trotz des Urins roch Winter die Alkoholfahne. Von Tobler war betrunken.
    Winter schaute zu von Tobler hinüber. Von Tobler ignorierte ihn und starrte mit glasigen Augen gebannt auf die aufgemalte Fliege im Pissoir, die er mit seinem Strahl zu treffen versuchte. Winter schloss seine Hose, wandte sich ab und wusch sich die Hände. Im Spiegel behielt er von Tobler hinter seinem Rücken im Auge. Winter war gerade daran, seine Hände mit Papiertüchern zu trocknen, als auch der Chef der Bank sein Geschäft abschloss.
    «Ahh, Winter. Die Welt ist einfach zu klein für uns beide.»
    Winter schwieg. Er fragte sich, ob von Tobler eine Anspielung auf Anne gemacht hatte oder nur betrunken war. Wahrscheinlich beides. Winter riss ein weiteres Papiertuch aus dem Verteilkasten.
    Von Tobler kam zu ihm und fragte: «Wo ist denn Ihre ägyptische Freundin geblieben?»
    Winter roch den mit kaltem Käse vermischten Alkohol. Auch er hatte zu viel getrunken, wusste aber, dass der in ihm aufsteigende Ärger nutzlos war. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Er zerknautschte das Papiertuch und warf es verächtlich in den weissen Korb. Von Tobler hatte offenbar keine Antwort erwartet, schwankte bedrohlich und wusch sich die Hände. Er wusch die Hände sehr gründlich. In Unschuld? Niemand war wirklich unschuldig.
    Von Tobler richtete sich ruckartig auf und steuerte mit Schwung auf den Verteilkasten mit den Papiertüchern zu. Auf halbem Weg rutschte er auf einer Wasserlache aus und knallte rücklings mit voller Wucht zu Boden. Der Hinterkopf schlug mit einem dumpfen Knall aufs Linoleum. Sturzbetrunken.
    Winter half von Tobler aufzustehen. Dieser murmelte etwas vor sich hin. Vielleicht hatten der Fall und der Schlag gegen seinen Schädel die Trunkenheit vertrieben.
    Er fluchte nicht, sondern betastete nur neugierig seinen Schädel. Von Tobler schaute an sich herab, begutachtete abwesend den Schaden an seinem Massanzug und sagte mit normaler Stimme: «Danke.»
    «Sind Sie in Ordnung, Herr von Tobler?» Winter hielt immer noch den Ellbogen des Mannes, dem ein grosser Teil der Bank gehörte.
    Von Tobler nickte: «Haben Sie einen Fünfliber?»
    Winter klaubte die Münze aus seinem Portemonnaie und reichte sie von Tobler. Dieser drückte sie gegen die Beule und grinste schelmisch. Er befingerte die Beule und steckte die Münze in seine Hosentasche: «Kommen Sie, Winter, ich muss Ihnen etwas zeigen.»
    Winter war sprachlos. Aber er war in den letzten Minuten mit Schweigen gut gefahren und entschied sich, diese Taktik beizubehalten.
    Von Tobler ging voraus, eine Treppe hoch und einen Gang mit im Boden eingelassenen Leuchten entlang. Durch eine Schleuse aus zwei automatischen Schiebetüren betraten sie das Labyrinth der Eishöhlen, eine in das ewige Eis des Gletschers gehauene Touristenattraktion. Decke, Wände und Boden, alles bestand aus Eis. Der Boden war glatt, zum Glück gab es ein Geländer.
    Schweigend schoben sie sich durch den Eistunnel. Das Eis glänzte im Licht der Beleuchtung bläulich. Winter war das letzte Mal während eines Schulausfluges als Halbwüchsiger durch das Gewirr aus Gängen geschlittert. Fatima hätte das auch gefallen. Hier konnte sie den Gletscher sogar von innen besichtigen.
    Wohin wollte der Patron? Sie waren allein und glitten beinahe lautlos durch den gespenstischen Tunnel. Ausser dem Keuchen von Toblers war es vollkommen still. Das Eis isolierte sie vollständig von der Aussenwelt. Keine Ländlermusik mehr. Vor dem Gesicht bildeten sich kleine Wolken aus Kondenswasser.
    Sie kamen an einer Nische mit einem Eisiglu und einer ins Eis gehauenen Eskimofamilie mit einem Eisseehund vorbei. Die Figuren glänzten glasig.
    Winter fröstelte in seinem Anzug. Die wärmende Wirkung des

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