Söldner des Geldes (German Edition)
nicht, wo der Chef steckt, nicht wahr?»
«Es tut mir leid, aber ich muss Sie bitten, zum Ausgang zurückzugehen und die Anfrage zu einem anderen Zeitpunkt zu stellen.»
Der Wachmann verhielt sich nach Vorschrift.
Winter schaute auf die Uhr. Noch drei Stunden bis zur Eröffnung der New Yorker Börse. Er ging auf den Wachmann zu, schaute ihm in die Augen und bat freundlich lächelnd: «Ihre Waffe, bitte.»
Der Wachmann war von der Bitte überrumpelt.
Er schaute Winter verständnislos an, und bis er begriff, hatte ihm Winter die kurze Maschinenpistole aus den Händen gehebelt. Er sicherte die Waffe und legte dem Wachmann beruhigend eine Hand auf die Schulter: «Ganz ruhig. Es geschieht Ihnen nichts. Wir haben Verdachtsmomente, dass ein Anschlag auf die Server geplant ist. Deshalb noch einmal die Frage: Wo ist der CEO ?»
Der Wachmann starrte einen Moment auf seine leeren Hände, dann liess er sie fallen und streifte dabei unbeabsichtigt das Halfter mit der Pistole. Winter schüttelte den Kopf und sah, wie sich im Kopf des Wachmannes die Risikoanalyse abspielte. Nach einigen Sekunden schluckte dieser resigniert und verschränkte die Arme. Winter atmete aus, und die Wache erklärte: «Der Chef und der Leiter Technik sind verschwunden. Ich konnte sie vorhin nicht finden.»
«Führen Sie uns in das Büro des Chefs.»
Sie verliessen den Aufenthaltsraum und eilten einen Gang mit mehreren Türen entlang. Der Wachmann schloss eine Tür zu einem kleinen, funktionalen Büro auf: «Normalerweise ist er hier.» Sie schauten sich um. Leer.
Der Wachmann öffnete auf der anderen Seite des Ganges eine zweite Tür: «Das ist das Büro des Technikleiters, der auch unser Sicherheitschef ist. Er ist auch nicht da. Das ist komisch.»
«Vielleicht sind sie in den Serverräumen unterwegs?»
«Nein, im Moment ist niemand in den keimfreien Räumen. Die Techniker sind in den Ruheräumen, Mittagspause.» Sie gingen zurück in den Aufenthaltsraum. Winter, Fatima, Dirk und der Wachmann standen ratlos vor dem Kaffeeautomaten. Vor der Tür zum angrenzenden Sitzungszimmer hatte Winter Baumgartner und Torhorst das letzte Mal gesehen. Er versuchte die Türfalle. Verschlossen.
«Öffnen Sie!», befahl er dem Wachmann.
Dieser kramte seinen Schlüsselbund wieder hervor und öffnete die Tür. Winter trat in das mit einem runden Tisch, sechs Stühlen, einer weissen Wandtafel und einem Schrank spärlich eingerichtete Sitzungszimmer. Beiläufig warf er einen Blick in den Papierkorb in der Ecke: Darin stand ein halb voller Becher mit brauner Brühe. Winter öffnete den Schrank: «Verflucht!»
Auf dem Schrankboden lag Torhorst.
Verkrümmt.
Kehle und Halsschlagader waren durchgeschnitten, das weisse Hemd voller Blut. Ein weiterer Anzug ruiniert.
Dort, wo normalerweise die Augen waren, klafften zwei tiefe schwarze Löcher. Jemand hatte die Augäpfel herausgeschnitten.
Winter trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
Fatima, Dirk und der Wachmann stiessen unterdrückte Schreie aus.
«Rufen Sie die Polizei und lösen Sie Alarm aus!»
Der Wachmann rannte davon.
Eine Sirene ertönte.
Winter ging in die Hocke und studierte den toten Torhorst erneut. Auf dem Metallboden des Schranks war eine Blutlache, die zu gerinnen anfing. Der Tod war vor etwa einer Stunde eingetreten. Und dem operativen Chef der Secer AG war die rechte Hand abgehackt worden. Ein Hacker hatte sich die biometrischen Zugangsdaten zur Secer AG beschafft.
7. August 12:35
Im Bunker brach die Hölle los. Servicetechniker in weissen Overalls und Wachmänner rannten in den Aufenthaltsraum. Einige glaubten an eine Übung, andere hatten Angst. Die von der Nachtschicht waren aus dem Schlaf gerissen worden und rieben sich verwundert die Augen. Hektisch diskutierten sie und drängten sich vor dem Sitzungsraum mit Torhorsts Leiche.
Ein hagerer ergrauter Mann übernahm das Kommando und versuchte Ordnung ins Chaos zu bringen. Seinem Umgangston nach war er Feldweibel gewesen. Er befahl den Wachmännern, alle Räume abzusuchen, Gasmasken zu verteilen und die Notstromaggregate vorzubereiten.
Winter dachte: Ich muss Baumgartner finden. Sofort!
Er drückte Dirk die Maschinenpistole in die Hand, liess ihn und Fatima stehen und rannte zu den Büros. Weitere Techniker kamen ihm entgegen. Er rüttelte an verschlossenen Türgriffen. Zuerst brauchte er ein Telefon. Die vierte Tür war unverschlossen.
Auf dem Schreibtisch stand ein Telefonapparat. Daneben lagen Gesteinsproben. An der Wand
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