Söldner des Geldes (German Edition)
Meister hatte die Bewegungen von Winters Mobiltelefon verfolgt. Gut zu wissen. Die Technik war Fluch und Segen zugleich.
«Verletzt das nicht meine in der Verfassung garantierten Rechte?» Winter grinste.
«Ich habe gehört, dass ein Helikopter mit einem Kunden und einer Mitarbeiterin der Bank abgestürzt ist.»
«Sie haben richtig gehört.» Winter fragte sich, worauf Meister diesmal hinauswollte.
«Der Helikopter ist aus noch unbekannten Gründen abgestürzt. Das Büro für Flugunfalluntersuchungen ist zusammen mit den Kriminaltechnikern der Innerschweizer Kantone daran, die Ursachen zu klären. Die Walliser sind wegen Strittmatter dabei. Die Saudische Botschaft wurde über das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten informiert. Das Labor in Spiez ist daran, abzuklären, ob Sprengstoff im Spiel war. Ich habe gesagt, dass wir uns um die Bank kümmern. Der Name Al-Bader hat bei uns gleich mehrere Warnlampen ausgelöst. Geldwäscherei und Finanzierung von Terroristen kann nicht ausgeschlossen werden.»
«Al-Bader war ein guter Kunde von uns, und wir bedauern seinen Hinschied. Meines Wissens hat er sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Persönlich mochte ich ihn.»
«Es tut mir leid. Aber das tut hier nichts zur Sache. Nach unseren Kriterien war er auf dem Radar. Haben Sie eine Idee, warum er verschwunden ist?»
Er war nicht «verschwunden», sondern bei vollem Bewusstsein verbrannt. Aber Winter war zu müde, um zu streiten: «Keine Ahnung. Er war einer von vielen Kunden.»
«Haben Sie am Tatort etwas Auffälliges gesehen?» Meister konnte eine Klette sein. Aber das war seine Aufgabe. Er hatte heute offensichtlich alle seine Bewegungen elektronisch verfolgt.
«Ein zerschellter Helikopter, ein überforderter Polizist und ein lokaler Feuerwehrmann. Drei verkohlte Leichen. Es war kein Unfall. Jemand hat absichtlich eine Feuerbombe gelegt.» Meister würde früher oder später zum selben Schluss kommen.
«Haben Sie Beweise?»
«Nein, aber eine Ahnung.»
«Ich auch.»
Winter schaute zuerst den Schlüssel in seiner Hand und dann Meister an. Dieser sagte: «Rufen Sie mich an, wenn Ihnen etwas einfällt oder Sie etwas herausfinden.»
«Gleichfalls.»
Ein paar Sekunden später war Meister verschwunden. Ein angenehmer samstäglicher Sommerabend. Die Büros waren ausgestorben. Er ging zu Annes Büro im ersten Stock und öffnete mit seinem Generalschlüssel die Tür.
Zuerst blieb Winter für einen Moment stehen, dann setzte er sich in ihren Drehstuhl. Das fensterlose Büro war aufgeräumt. Keine Papiere auf der Tischplatte. Keine persönlichen Gegenstände. Nichts. Anne nahm es mit den Sicherheitsvorschriften genau. Einzig ein Familienfoto auf dem Schreibtisch: Annes Eltern und die drei Mädchen lachend in einer Pizzeria. Das Foto vom Kellner aufgenommen, die Familie eng zusammengerückt, um ja ins Bild zu kommen.
Gedankenverloren öffnete er die Schreibtischschubladen. In der obersten fand er Annes grosses Adressbuch. Er blätterte darin. Unter «W» hatte Anne seinen Geburtstag eingetragen. Doppelt unterstrichen. Winter seufzte, riss sich los, schloss die Tür wieder ab und ging in sein Büro nebenan.
Sein eigenes Büro hatte ein Fenster in einen dunklen Innenhof. Es lag über der Küche der Pizzeria, und davor summte deren Abluftrohr. Die den Kunden zugänglichen Räume waren weiter oben, je wichtiger der Kunde, desto mehr natürliches Licht wurde ihm zugestanden.
Im Gegensatz zu Meister sass er selten an seinem Pult. Er war auch nicht darauf angewiesen, seine Gesprächspartner durch ein repräsentatives Büro zu beeindrucken. Tisch, Telefon, Computer, Drucker, Schrank, Wandsafe genügten. Sein einziger Luxus war die Nische mit dem zerknautschten Ledersofa zum Nachdenken. Auf den knappen Ablageflächen stapelten sich die verschiedensten Magazine, alte Zeitungsartikel, diverse Bücher, Reisesouvenirs, Schachteln und diverser Krimskrams.
Winter holte sich aus der Maschine im Korridor einen Kaffee und machte sich eine Liste der anstehenden Aufgaben: Wichtiges und Dringendes zuerst, alles andere später.
Dann buchte er den Flug nach Kairo und stöberte im Internet und den Datenbanken der Bank: Orafin war ein wenig transparentes Konglomerat, das in alles Mögliche investierte. In der Kundendatenbank war nicht viel, aber immerhin fand er Kontaktadressen, die meisten davon in Ägypten, aber auch in Kuwait, Washington, Delhi und Peking. Das Sekretariat des CEO s hatte diese Datenbank
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