Söldner des Geldes (German Edition)
pragmatisch bleiben. Schau dir die Ägypter an, aber diskret. Wenn es sich tatsächlich um ein Attentat handelt, dann bin ich der Erste, der wissen will, wer das war.» Der distinguierte Aristokrat mit dem hageren Gesicht fletschte seine Zähne.
Als Winter in der Tiefgarage aus dem Lift trat, stand Schütz neben seinem Audi. Den schlanken Aktenkoffer hatte er auf das Dach gelegt.
«Kannst du mich mitnehmen?»
«Steig ein.»
Sie verliessen die Stadt und nahmen die Autobahn nach Bern. Schütz begann sich über den Informationsfluss in der Bank zu beklagen. Der Chef hielt wichtige Informationen zurück: «Wie kann ich eine professionelle Betreuung sicherstellen, wenn ich nicht informiert werde?»
«Was wollte Al-Bader eigentlich genau mit der Orafin?»
«Al-Bader wollte vermehrt global investieren. Sicherheitsüberlegungen. Infrastrukturprojekte interessierten ihn am meisten. Er hat über längere Zeit grössere Positionen in Versorgern aufgebaut. Und Orafin hat offensichtlich die gleichen Interessen.»
Winter nickte. Sein Geschäft waren nicht riskante Investitionen, sondern die Sicherheit. Dabei war der Einsatz oft das eigene Leben.
«Hast du mir das Dossier von Al-Bader mitgebracht?»
Schütz klickte den Aktenkoffer auf und reichte Winter eine Mappe.
«Steht etwas Interessantes drin?»
«Nein, nur das Übliche. Ich habe viel investiert, aber wahrscheinlich hätten wir Al-Bader mittelfristig sowieso nicht halten können. Die Norweger sind seit einigen Monaten daran, uns Al-Bader abzuwerben. Öl zu Öl, du verstehst?»
25. Juli 19:34
Winter setzte Schütz vor seinem Einfamilienhaus ab und fuhr nach Fraubrunnen, einem Vorort von Bern, zu Annes Eltern. Winter wusste nicht, ob die Polizei sie schon informiert hatte, dass ihre Tochter bei einem Helikopterabsturz ums Leben gekommen war. Gestern noch hatte er von einer gemeinsamen Zukunft geträumt. Er dachte an die beiden Liegestühle auf seiner unfertigen Terrasse. Er war der Vorgesetzte und hatte sie damals überredet, zur Bank zu wechseln. Er hatte sie auf den verhängnisvollen Flug geschickt. Ohne ihn wäre Anne noch am Leben.
Winter bog in die Siedlung von Annes Eltern ein. Der Vater arbeitete als Fachkraft in einem Unternehmen, das Öltanks wartete. Die Mutter war Hausfrau und arbeitete als Teilzeitpflegerin in einem Altersheim.
Er hielt den Wagen vor dem Zweifamilienhaus mit dem kleinen, aber gepflegten Vorgarten. Geteilte Kosten für den Öltank. Vernünftig. In der Einfahrt stand ein grüner Renault und unter dem Vordach mehrere Velos.
Weiter vorne auf der Quartierstrasse spielten Kinder mit einem Tennisball Landhockey. Sie hatten mit Kreide ein Feld inklusiv Anspielkreis markiert und zwei hölzerne Tore aufgestellt. Die beiden Torhüter waren in beeindruckender Vollmontur. Winter sah Anne als Mädchen auf dieser Strasse spielen, und jetzt war sie tot. Er gab sich einen Ruck und stieg aus.
Er klingelte und wartete. Niemand öffnete die Tür. Er drückte den Klingelkopf noch einmal und versuchte, durch das Türfenster ins Haus zu spähen. Nichts. Winter ging um das Haus herum. Vielleicht waren sie im Garten. Er kam an einem kleinen Geräteschuppen vorbei und sah am anderen Ende des Gartens Annes Eltern. Sie sassen auf einer bunten Hollywoodschaukel. Als sie ihn sahen, stand der Vater auf und kam ihm entgegen.
Winter traf Annes Eltern heute zum ersten Mal und sagte: «Guten Abend. Ich bin Tom Winter», und sicherheitshalber fügte er an, «der Vorgesetzte von Anne.» Er wollte sich Zeit nehmen und streckte die Hand zum Gruss aus. Annes Vater ergriff die Hand, schüttelte sie, sagte aber kein Wort. Gesichtsausdruck und Haltung machten klar, dass sie bereits vom Tod ihrer Tochter erfahren hatten.
«Es tut mir sehr leid wegen Ihrer Tochter. Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen, auch im Namen der Bank.»
«Danke. Anne hat immer gesagt, Sie seien ein guter Chef, von dem sie viel lernen könne. Danke, dass Sie gekommen sind.»
Der Vater liess die Hand los und ging zurück zur in die Jahre gekommenen Hollywoodschaukel. Er war erst etwa fünfzigjährig, bewegte sich aber apathisch, wie ein alter, gebückter Mann. Die Mutter hatte verweinte Augen und sass regungslos auf der grossen Schaukel.
Dahinter waren Büsche und Bäume gepflanzt, die das Grundstück vom nächsten abgrenzten, während der Sommertage Schatten spendeten und die Schaukel einrahmten. Es gab fünf gusseiserne Stühle, einen Tisch und einen Kugelgrill. Am Boden waren quadratische
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