Söldner des Geldes (German Edition)
aber zugeben, dass dieser die richtigen Worte fand und es schaffte, die Menschen ein wenig zu trösten. Der CEO widerstand der Versuchung, mehr als drei Minuten zu sprechen. Er senkte den Kopf und setzte sich wieder in der Reihe vor Winter.
Es wurde wieder gesungen. Die kleine Orgel spielte. Der Pfarrer zitierte aus der Bibel, segnete die liebe Trauergemeinde und forderte zum gemeinsamen Vaterunser auf. Winter war mit seinen Gedanken wieder bei Anne. Bilder von gemeinsamen Momenten zogen an ihm vorbei.
Plötzlich war der Gottesdienst zu Ende, und alle standen auf. Es gab eine kleine Verwirrung, wer den Sarg wo tragen sollte. Vier ältere Männer aus der dritten Reihe, wahrscheinlich Brüder des Vaters oder der Mutter, hoben den Sarg vorsichtig an und folgten dem Pfarrer aus der Kirche.
Das Sonnenlicht war grell, und Winter kniff die Augen zusammen.
Sie gingen um die Kirche herum in den schräg abfallenden Friedhof und gruppierten sich um das offene Grab. Mit Hilfe eines grünen Metallgestells und eines Seilzuges wurde der Sarg behutsam in der Erde versenkt. Der Pfarrer betete wieder, und die Trauernden warfen der Reihe nach eine Handvoll Erde aus einer abgenutzten Holzkiste ins Grab. Winter war einer der Letzten. Er liess die Rose ins Grab fallen, schloss die Augen und senkte für einen Moment den Kopf.
Dann war es vorbei.
Auf dem Weg zurück in den Schlosshof musste er durch einen kleinen Torbogen und dem Pfarrer zum Abschied die Hand schütteln. Der Händedruck war lau, und ein Schaudern durchdrang Winter. Im Hof standen die Gäste in Gruppen herum und warteten, um der Trauerfamilie das Beileid auszusprechen. Nach einigen Minuten des peinlichen Herumstehens folgten die Arbeitskollegen dem Chef, drückten die Hände der Familie und murmelten formell einige tröstende Worte. Als Winter bei Angela angelangt war, sagte er seinen Namen und dass er der Vorgesetzte von Anne in der Bank gewesen sei.
Sie sagte: «Ah, Herr Winter. Schön, dass Sie gekommen sind.»
«Das ist doch selbstverständlich. Das war ich Anne schuldig.»
Winter dachte daran, dass eigentlich er im Helikopter hätte sitzen müssen. Er verdrängte die Gedanken ans Schicksal. Er gab ihr die Hand: «Ihre Worte in der Kirche über Anne haben mich sehr gerührt. Ich wünsche Ihnen viel Kraft. Mein herzliches Beileid.» Winter wollte weitergehen, die Menschenschlange hinter sich nicht aufhalten.
Aber die Schwester hielt seine Hand fest: «Danke.» Sie schaute ihn mit Tränen in den Augen an: «Anne hat Sie sehr gemocht.»
Ihm schoss durch den Kopf: Was hat Anne ihrer Schwester alles erzählt?
Sie lächelte schwach und fügte nach einer Pause an: «Warum haben nicht Sie gesprochen?»
«Ich weiss nicht.» Dann stotterte er eine Ausrede: «Ich kann nicht so gut vor Leuten sprechen.» Er fasste sich wieder: «Wenn ich etwas für Sie tun kann, rufen Sie mich an.»
«Danke.» Sie nickte und lächelte ihn mit den Augen an.
Und damit wandte sie sich Dirk zu, der ein wenig linkisch hinter Winter stand. Die Gäste machten sich daran, den Schlosshof zu verlassen. Auf dem Rückzug konnten sich die mittelalterlichen Angreifer besser mit dem Schild schützen. Die Trauergäste waren vom Pfarrer im Namen der Familie alle ganz herzlich in den «Bären» zu einem kleinen Leichenmahl eingeladen worden. Winter hatte keinen Hunger, sondern eine Verabredung. Wahrscheinlich würde es eher ein Verhör.
Dirk stiess ihn an: «Traurige Geschichte, nicht wahr?»
«Ja, ich verstehe es immer noch nicht.»
«Was meinst du? Du glaubst wirklich, dass es kein Unfall war? Nicht wahr? Deshalb die Recherche.»
Winter schwieg und sah Dirk fragend an, bis dieser fortfuhr: «Ich verstehe. Du warst die letzten Tage weg. Aber in den bankinternen News und den Zeitungen war von einem Unfall die Rede. Feuer als Absturzursache.»
Winter hatte in den letzten Tagen weder Zeitung gelesen noch ins Intranet der Bank geschaut. Die Polizei war oft zurückhaltend mit Informationen, und die News-Seite des Intranets hatte den Übernamen Prawda, russisch für Wahrheit. Laut sagte Winter: «Ich bin mir nicht sicher.» Er schüttelte den Kopf. «Es ist meine Aufgabe, paranoid zu sein. Hast du Annes Telefonate dabei?»
«Ja, hier.» Er zog einige zusammengefaltete Computerausdrucke aus der Innentasche seines Anzuges. Er blätterte durch die zusammengehefteten Listen. «Ihre Anrufe von und zum Festnetzanschluss in der Bank in den letzten vier Wochen. Das war dank VOIP einfach. Hier», Dirk
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