Söldner des Geldes (German Edition)
sie durch den Spalt der Schiebetür zu Winter hinüber. Er schnarchte nicht. Gut.
2. August 05:07
Winter erwachte kurz nach fünf Uhr morgens aus dem Tiefschlaf. Seine innere Uhr war noch auf Europa eingestellt. Die schweren Vorhänge waren fast ganz zugezogen. Nur in einem schmalen Lichtstreifen tanzten Staubpartikel. Jemand sollte hier einmal gründlich Staub wischen.
Er drehte den Kopf und bekam Fatimas Haar in die Nase. Die Hügellandschaft der schweren Bettdecke hob und senkte sich langsam. Fatima schlief tief. Winter legte sich zurück und schloss die Augen.
Nach einer Weile stand er auf und zog eine kurze Trainingshose, ein T-Shirt und seine Laufschuhe an. Auf einen Notizblock des Hotels schrieb er: «Guten Morgen, Fatima, bin am Joggen und freue mich auf das Frühstück mit dir!» Dann schloss er leise die Zimmertür hinter sich, verliess das Hotel durch einen Seitenausgang und trabte los.
Winter liebte den frühen Morgen. Die Luft war frisch. Die Sonne schien schräg zwischen den roten Backsteinhäusern hindurch und spiegelte sich in den Pfützen. Er überholte eine langsame Maschine der Strassenreinigung und rannte über die Wiese des Common Parks. Der Boden federte, und seine Gelenke und Gedanken lockerten sich. Eine Schar Enten flog auf. Ein junger Terrier hetzte erfolglos hinter ihnen her. Eine Gruppe Chinesen praktizierte Tai-Chi.
Er überquerte auf einer schmalen Fussgängerbrücke den glänzenden Charles River, kam am Massachusetts Institute of Technology vorbei und erreichte nach einer halben Stunde das Bootshaus der Harvard-Universität. Er bog ab und erreichte nach einigen Bibliotheken und Forschungsinstituten den Campus. Vielleicht würde schon bald ein Gebäude den Namen von Al-Bader tragen. Wie viele Millionen Dollar musste man spenden, damit man ein Gebäude benennen durfte?
Winter hatte sich Adresse und Lage des Geschäftssitzes von «Pyramid Investment Partners» eingeprägt. Noch zweihundert Meter. Die Symbiose zwischen Universität und Privatwirtschaft funktionierte auch geografisch. Er verliess den Campus und kam in eine ruhige Nebenstrasse mit zwei Reihen alter, dreistöckiger Stadthäuser mit schmalen Vorplätzen.
Hier residierten Spezialärzte, Rechtsanwälte, Finanzberater und Public-Relations-Agenturen mit nichtssagenden Phantasienamen. Ein Schönheitschirurg dekorierte seinen Eingang mit einer Marmoraphrodite. Eine Strasse für reiche Menschen. Ein Zeitungsverträger des Boston Globe mit einer grossen Tasche verteilte seine verderbliche Ware.
Der Firmensitz der «Pyramid Investment Partners» fiel nicht auf. Ein edles Schild mit Pyramidenlogo. Davor ein paar Quadratmeter mit weissem Kies. Senkrechte Lamellen schirmten die Fenster ab. Kein Mensch.
Die Strasse war beidseitig mit teuren Neuwagen gesäumt. Auf dem letzten Parkfeld stand ein grauer Lexus mit einem telefonierenden Mann. Winter joggte langsam daran vorbei. Die Motorhaube strahlte keine Wärme aus. Aus den Augenwinkeln sah Winter auf der Frontablage ein Mäppchen mit einem offiziösen Adler-Logo, im Schoss des Fahrers eine Kamera mit Teleobjektiv. Keine persönlichen Sachen. Dienstwagen. Der Fahrer konnte das Kommen und Gehen in der Strasse überblicken. Noch jemand schaute sich die Gegend an.
Winter bog ab und rannte in Gedanken versunken zurück. Was versprachen sich die Behörden von der Beobachtung der «Pyramid Investment Partners»? Ben hatte ihn gewarnt, dass Al-Bader bei den Amerikanern auf der Liste der Terroristen stand. Aber warum hatte der NSA -Mann Smith gestern Abend Al-Bader mit keinem einzigen Wort erwähnt? Was wusste Smith vom Helikopterabsturz? Gedankenverloren joggte Winter zurück zum Hotel. In der Lobby nahm er die Treppe.
Der Alarm war schrill. Er schwoll einige Sekunden an, dann ab, bevor er von Neuem begann. Er schmerzte in den Ohren, und Winter war froh, dass er nicht schlafend von dieser Sirene überrascht worden war. Der Komponist des Schrillens musste die Menschheit gehasst haben. Oder ein erfahrener Folterer gewesen sein, der genau wusste, unter welcher Frequenz das menschliche Ohr am meisten litt.
Winter beobachtete, wie Fatima mit geschlossenen Augen nach ihrem Mobiltelefon tastete und blind dessen Weckalarm ausschaltete. Schwungvoll zog er die Vorhänge auf, und das Sonnenlicht durchflutete die Suite.
Fatima kniff die Augen zusammen. Sie setzte sich in den weinroten Kissen auf. Ihr seidenes Dessous glänzte in der Sonne sandfarben.
Winter war sich nicht sicher, ob dieses
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