Söldnerehre (German Edition)
hatten sie sich als äußerst nützlich erwiesen. Die kleine Gruppe bewegte sich in genau die Richtung, die Logan die besten Möglichkeiten bescherte: tiefer in den Wald hinein.
Der Hüne – Darian – ging am Schluss der Gruppe. Er war groß, stark und überraschend behände für jemanden von seiner Statur. Das würde nicht einfach werden. Aber Logan war überzeugt, mit ihm fertigwerden zu können. Geduckt schlich er der kleinen Gruppe nach. Oh, wie er dieses Spiel genoss!
* * *
Die Gruppe ging fast eine Stunde lang in die von Logan gewünschte Richtung, bevor er losschlug. Das erste Anzeichen, dass etwas nicht stimmte, bestand in einem kurzen unterdrückten Grunzen, gefolgt vom spitzen Schrei eines Kindes am Ende der Gruppe.
Kilians Schwert fuhr zischend aus seiner Scheide. Mit gezückter Klinge stürmte er über einen umgestürzten Baumstamm ans Ende der kleinen Gemeinschaft. Doch als er dort ankam, war bereits alles vorbei. Miriam hielt eines der Kinder – den Jungen Yeren – beschwichtigend im Arm und wiegte ihn tröstend. Der Kleine weinte und zitterte am ganzen Leib. Er war total verängstigt. Von Darian fehlte jede Spur.
»Oh mein Gott, Kilian«, flüsterte Lyra. »Er ist hier. Hier in der Nähe. Was sollen wir jetzt nur tun?«
»Ich habe keine Ahnung«, flüsterte er zurück. Und zum allerersten Mal in seinem Leben fühlte er sich vollkommen hilflos.
10
Kilian stieß unter wüsten Beschimpfungen die Tür des Wirtshauses auf. Die Morgensonne stieg bereits über den Horizont und spendete ein sanftes Licht, das die weiße Schneedecke reflektierte, unter der das Dorf lag.
Er hatte noch in der Nacht versucht, Logans Spur zu folgen. Wenn man bedachte, dass sich kein Lebewesen auf einer Schneedecke ohne Spuren fortbewegen konnte, eigentlich kein schwieriges Unterfangen. Doch es gab keine Spuren, weder von Logan noch von Darian. Langsam keimte in ihm die Überzeugung, dass sie es mit keinem lebendigen Wesen zu tun hatten, sondern mit einem Geist. Einem rachsüchtigen Geist, der auf sie niederkam, seine Opfer ergriff und spurlos verschwand, als hätte es ihn nie gegeben.
Nach fast drei Stunden ergebnisloser Suche hatte er es endlich aufgegeben. Das Gefühl des Verrats bei der Entscheidung, Darian zurückzulassen, saß tief und ließ sich nur schwer abschütteln. Noch schwerer war die Entscheidung gewesen, zum Dorf zurückzukehren.
Es hatte keinen Sinn, bei Nacht in einem Wald herumzustolpern, den man nicht kannte. Mit einem Feind auf den Fersen, der nach Belieben zuschlug, ohne dass man etwas dagegen zu unternehmen imstande war.
Nein, zu fliehen war keine Option mehr. Stattdessen schwebte ihm nun etwas anderes vor: Konfrontation.
Sie konnten nicht entkommen. Spätestens nach den Vorkommnissen vergangener Nacht war ihm das glasklar. Er musste sich Logan entgegenstellen. Und bei Tageslicht stiegen seine Chancen gewaltig. Kilian hatte nicht vor, noch einmal einen ganzen Tag zu verschwenden und darauf zu warten, dass Logan ihn kommende Nacht auch noch holte.
Die Kinder setzten sich auf die nächsten Stühle, die sie erreichten. Ihre Köpfe sanken sofort auf die Tischplatte herunter und mindestens zwei schliefen augenblicklich ein. Ihrem Gesichtsausdruck nach war Miriam nicht weit davon entfernt, es ihnen gleichzutun.
Lyra und Faris zogen sich ebenfalls zwei Stühle heran und ließen sich schwer darauf fallen. Eine Schankmagd eilte beim ersten Geräusch eintreffender Gäste aus der Küche, überblickte die Szenerie mit dem Blick einer geübten Bedienung, verschwand wieder in der Küche, nur um kurz darauf mit einem Tablett heißer Milch, Honig, etwas Brot und Marmelade zurückzukommen und das Frühstück vor den Kindern auf dem Tisch abzustellen.
»Willst du dich nicht auch setzen?«, fragte Faris, während er sich eine Scheibe noch dampfenden Brotes mit dicker schwarzer Kruste aus einem geflochtenen Korb angelte.
»Keine Zeit. Ich muss gleich wieder los.«
Bei seinen Worten sah Lyra scharf auf. »Und wohin, wenn ich fragen darf?«
»Logan.«
Lyras Augen verdunkelten sich vor Zorn. »Du willst abhauen und uns im Stich lassen, weil du Angst vor ihm hast. Wir haben dich bezahlt. Du bist uns gegenüber verpflichtet. Du … du …«
Faris berührte sie sanft am Arm und kaute dabei genüsslich auf der Brotscheibe herum. »Beruhige dich. Das hat er nicht gemeint.« Er streifte Kilian mit einem anerkennenden Blick. »Er will sich auf die Suche nach Logan machen, solange noch
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