Söldnerehre (German Edition)
Gemäuer abprallten oder in das provisorische Dach des Wehrgangs einschlugen. Der Beschuss hatte aber auch weniger das Ziel, den Verteidigern Verluste beizubringen, sondern mehr, die Varis in Deckung zu zwingen, um den Leitern und dem Rammbock zu erlauben, die Mauer unbehelligt zu erreichen.
Aber wann immer möglich, lugten die Varis zwischen und über den Zinnen hervor, um ihre Pfeile anzubringen, und die Moyri hielten es genauso mit ihren Sturmwänden. Beide Seiten forderten der jeweils anderen Partei alles ab, doch Kurta war der mit Abstand beste Bogenschütze in dieser Schlacht. Nahezu jeder seiner Pfeile traf und er schien keine besonderen Gewissensbisse dabei zu haben, sein eigenes Volk zu töten. Kilian erinnerte sich an die Geschichten, die sein Kamerad ihm erzählt hatte, wie die Moyri Kurta davongejagt hatten: mittellos, Familie und Freunde tot. Fast hätte er Mitleid mit den Moyri haben können, aber nur fast.
Die Moyri feuerten nun mit jeder zweiten Salve Brandpfeile über die Wälle. Im Innenhof gab es zum Glück nur noch wenig, was aus Holz bestand, doch einige Hütten und Gebäude standen noch und fingen sofort Feuer, sobald eine Salve ins Schwarze traf. Löschtrupps eilten herbei, um das Schlimmste zu verhindern. Sie bildeten Ketten vom einzigen Brunnen zu den Brandherden. Diese Arbeit war zwar notwendig, es setzte die Frauen und Kinder jedoch auch einer großen Gefahr aus und einzelne, verirrte Pfeile fanden viel zu oft ihre Ziele unter ihnen.
Im Schutze ihrer Bogenschützen rückten die Leiterträger immer weiter vor. Jeder Moyri, der fiel, wurde augenblicklich durch einen anderen ersetzt. Auf der Mauer zu stehen und es sich auch nur anzusehen, war schlichtweg deprimierend.
Nur wenige Zentimeter neben Kilians linker Wange sirrte ein Pfeil durch die Luft. Der Söldner zuckte reflexartig zusammen und duckte sich hinter eine Zinne. Zu seiner Überraschung tauchte Darian wie aus dem Nichts neben ihm auf.
»Die machen keine halben Sachen, was?«, frotzelte der muskelbepackte Söldner lachend. Dass er sich gerade mitten in einer Schlacht und in Lebensgefahr befand, schien ihm nicht besonders viel auszumachen. Seine Laune wirkte ansteckend und Kilian spürte, wie ein Teil der Belastung von ihm abfiel. Diese Seite am Wesen seines Freundes war ihm bereits früher des Öfteren aufgefallen. Tatsächlich hatte ihm genau diese Eigenschaft so manches Mal das Leben gerettet.
»Kann man so sagen«, erwiderte er plötzlich gut gelaunt.
Darian wies mit einem abgehackten Kopfnicken auf den Moyri-Bogenschützen, der einige Meter von ihnen entfernt stand und ganz in seine Arbeit vertieft war. Seine Miene war nur noch eine verkniffene Maske.
»Was ist denn mit dem los?«, fragte der Axtkämpfer.
»Ich vermute, er begleicht im Geist gerade ein paar alte Rechnungen.«
»Wo sind Vekal und Jonas?«
»Keine Ahnung. Hab sie schon seit Stunden nicht gesehen. Ich glaube, unser furchtloser Anführer«, er wies mit dem Daumen in Cadros Bals Richtung, »hat sie für eine der anderen Mauern eingeteilt.«
»Silas auch?«
»Soll das ein Witz sein? Der wäre dort nur im Weg. Der ist zum Feuerlöschen eingeteilt.«
Darian lachte leise.
»Was ist so komisch?«
»Du. Du bist komisch. Du tust immer so, als könntest du den Barden nicht leiden, dabei würde er dir fehlen, wenn er weg wäre.«
»Dafür ist eigentlich jede Antwort zu schade.«
»Ach …« Darian sah ihn auffordernd an, bis sich Kilian doch zu einer Antwort genötigt sah.
»Na schön. Vielleicht ein wenig.«
Darian lachte lauthals auf. »Wusste ich es doch.«
»Bild dir nur nicht zu viel darauf ein.« Kilian bemühte sich um Ernsthaftigkeit, doch seine Mundwinkel zuckten verräterisch. Es stimmte tatsächlich. Kilian konnte sich ein Leben ohne den Barden gar nicht mehr vorstellen. Er würde aber eher glühende Kohlen hinunterschlucken, bevor er das offen und unumwunden zugab.
»Die Leitern sind an der Mauer!«, schrie Lyra zu ihnen herab, wobei sie ihren Speer fester packte.
Die beiden Freunde wechselten einen eindeutigen Blick und standen auf ihre Waffen gestützt auf. Der breite Axtkämpfer prüfte ein letztes Mal die Schärfe der beiden Schneiden der Waffe, während Kilian sein Schwert aus der Scheide zog und diese dann sorgfältig hinter der Mauer deponierte. Während des Kampfes wäre sie ihm nur im Weg.
Kilian ließ den Blick über das Schlachtfeld gleiten. Die Moyri hatten sich ihren Weg zu den Mauern hart erkämpft. Er schätzte ihre Verluste
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