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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Jahrhundert sprechen – oder die Zeit, die wir oft als Barock bezeichnen.«
    »Barock? Ist das nicht ein seltsamer Name?«
    »Die Bezeichnung ›Barock‹ stammt von einem Wort, das eigentlich ›unregelmäßige Perle‹ bedeutet. Typisch für die Kunst des Barock waren denn auch üppige, kontrastreiche Formen, ganz im Gegensatz zur schlichteren und harmonischeren Renaissancekunst. Das 17. Jahrhundert war überhaupt geprägt von der Spannung zwischen unversöhnlichen Widersprüchen. Einerseits gab es weiterhin die lebensbejahende Weltsicht der Renaissance – andererseits hielten sich viele ans andere Extrem und führten ein Leben der Weltverneinung und religiösen Zurückgezogenheit. In der Kunst und im wirklichen Leben begegnen wir einer pompösen Lebensentfaltung. Gleichzeitig entstanden Klosterbewegungen, die sich von der Welt abkehrten.«
    »Stolze Schlösser und versteckte Klöster also.«
    »So kannst du es ausdrücken, ja. Ein Schlagwort des Barock war das lateinische Sprichwort ›carpe diem‹ – das heißt: ›Nutze den Tag!‹ Ein anderes viel zitiertes lateinisches Sprichwort lautete ›memento mori‹ – und das bedeutet: ›Bedenke, dass du sterben musst!‹ In der Malerei konnte ein und dasselbe Bild gleichzeitig schwelgerische Lebensentfaltung zeigen, während in eine Ecke unten ein Skelett gemalt war. In vieler Hinsicht war das Barock geprägt von Eitelkeit und Torheit . Aber viele beschäftigten sich auch mit der Kehrseite der Medaille, ihnen ging es um die Vergänglichkeit aller Dinge, also darum, dass alles Schöne um uns herum irgendwann sterben und verwesen wird.«
    »Das stimmt ja auch. Ich finde, es ist ein trauriger Gedanke, dass nichts Bestand hat.«
    »Dann denkst du genau wie viele Menschen im 17. Jahrhundert. Auch politisch gesehen war das Barock das Zeitalter der großen Gegensätze. Zum einen wurde Europa von Kriegen verwüstet. Der schlimmste war der Dreißigjährige Krieg , der von 1618 bis 1648 fast überall in Europa wütete. In Wirklichkeit bestand er aus vielen kleineren Kriegen, unter denen vor allem Deutschland sehr zu leiden hatte. Nicht zuletzt als Folge des Dreißigjährigen Krieges wurde nach und nach Frankreich zur dominierenden Großmacht in Europa.«
    »Worum haben sie denn gekämpft?«
    »Vor allem war es ein Kampf zwischen Protestanten und Katholiken. Aber es ging auch um politische Macht.«
    »Ungefähr wie im Libanon.«
    »Außerdem war das 17. Jahrhundert von enormen Klassenunterschieden geprägt. Du hast sicher vom französischen Adel und dem Hof von Versailles gehört. Ich weiß nicht, ob du über die Armut des Volkes ebenso viel gelernt hast. Aber jede Prachtentfaltung beruht auf Machtentfaltung . Es wird behauptet, die politische Situation des Barock ließe sich mit der zeitgenössischen Kunst und Architektur vergleichen. Die Bauwerke des Barock waren überladen mit verschnörkelten Ecken und Winkeln. Und die Politik war geprägt von Meuchelmorden, Intrigen und Ränkespielen.«
    »Wurde damals nicht irgendein schwedischer König im Theater erschossen?«
    »Du denkst an Gustav III. und da hast du wirklich ein Beispiel für das, was ich meine. Der Mord an Gustav III. geschah erst im Jahre 1792, aber unter sehr barocken Umständen. Er wurde auf einem großen Maskenball ermordet.«
    »Und ich dachte, im Theater.«
    »Der Maskenball fand in der Oper statt. Das schwedische Barock endete im Grunde erst mit der Ermordung Gustavs III. Unter ihm herrschte der aufgeklärte Absolutismus , ungefähr so, wie fast hundert Jahre früher unter Ludwig XIV. Gustav III. war außerdem ein sehr eitler Mensch, der alle französischen Zeremonien und Höflichkeitsfloskeln liebte. Und merk dir außerdem, dass er das Theater liebte ...«
    »Und das wurde ihm zum Verhängnis.«
    »Aber das Theater war im Barock mehr als nur eine Kunstform. Es war auch das erste Symbol für seine Zeit.«
    »Und was symbolisierte es?«
    »Das Leben, Sofie. Ich weiß nicht, wie oft es während des 17. Jahrhunderts hieß: ›Das Leben ist ein Theater.‹ Sehr oft jedenfalls. Und gerade während des Barock entstand auch das moderne Theater – mit allen Arten von Kulissen und Theatermaschinen. Im Theater wurde eine Illusion auf die Bühne gestellt – um dann das Spiel auf der Bühne als bloße Illusion zu entlarven. Auf diese Weise wurde das Theater zum Bild des Menschenlebens überhaupt. Das Theater konnte zeigen, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Es konnte eine gnadenlose Darstellung der menschlichen

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