Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
Zuerst spielten sie Federball, dann machten sie sich wieder an die Planung des philosophischen Gartenfestes. Sie brauchten ein paar Überraschungen für den Fall, dass keine rechte Stimmung aufkam.
Auch als Sofies Mutter von der Arbeit kam, redeten sie über das Gartenfest. Die Mutter wiederholte immer wieder einen Satz: »Nein, es wird an nichts gespart werden.« Das war nicht ironisch gemeint.
Sie schien der festen Überzeugung zu sein, ein philosophisches Gartenfest sei genau das, was Sofie brauchte, um nach den vielen Wochen intensiven Philosophieunterrichts wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzufinden.
Am Ende hatten sie sich über alles – vom Baumkuchen und von Lampions in den Bäumen bis zum philosophischen Quiz mit einem Philosophiebuch für Jugendliche als Prämie – geeinigt. Falls es so ein Buch gab. Sofie war sich da nicht sicher.
Am Donnerstag, dem 21. Juni – nur zwei Tage vor dem Johannisabend –, rief Alberto wieder an.
»Sofie.«
»Und Alberto.«
»Wie geht’s?«
»Hervorragend. Ich glaube, ich habe den Ausweg gefunden.«
»Ausweg woraus?«
»Das weißt du doch. Aus der geistigen Gefangenschaft, in der wir schon viel zu lange leben.«
»Ach, das ...«
»Aber ich darf erst etwas über den Plan verraten, wenn alles in Gang gekommen ist.«
»Ist das nicht reichlich spät? Ich muss doch wohl wissen, worauf ich mich einlasse.«
»Nein, jetzt bist du naiv. Du weißt doch, wir werden immer und überall belauscht. Am vernünftigsten wäre es deshalb, zu schweigen ...«
»Ist es wirklich so schlimm?«
»Natürlich. Das Wichtigste muss passieren, während wir nicht miteinander reden.«
»Ach ...«
»Wir leben unsere Leben in einer erfundenen Wirklichkeit, hinter den Worten einer langen Erzählung. Jeder einzelne Buchstabe davon wird vom Major in eine billige Reiseschreibmaschine getippt. Nichts von dem, was geschrieben ist, kann deshalb seiner Aufmerksamkeit entgehen.«
»Nein, das verstehe ich. Aber wie können wir uns sonst vor ihm verstecken?«
»Pst!«
»Was?«
»Zwischen den Zeilen spielt sich auch etwas ab. Und genau da versuche ich mich mit meinem ganzen Vorrat an doppelbödiger List hindurchzuschlängeln.«
»Ach so.«
»Aber wir müssen uns heute und auch morgen treffen. Am Samstag geht’s dann los. Kannst du sofort kommen?«
»Ich komme.«
Sofie fütterte Vögel und Fische, gab Govinda ein Salatblatt und öffnete für Sherekan eine Dose Katzenfutter. Sie stellte im Gehen die Schüssel mit dem Katzenfutter auf die Treppe. Dann schlüpfte sie durch die Hecke und auf den Weg auf der anderen Seite. Als sie ein Stück gegangen war, entdeckte sie plötzlich mitten im Heidekraut einen großen Schreibtisch. Hinter dem Schreibtisch saß ein älterer Mann. Er schien irgendetwas auszurechnen. Sofie ging zu ihm und fragte nach seinem Namen.
»Scrooge«, sagte er und beugte sich wieder über seine Papiere.
»Ich heiße Sofie. Bist du vielleicht ein Geschäftsmann?«
Er nickte.
»Und steinreich. Kein einziges Pfund darf vergeudet werden. Deshalb muss ich mich auch auf meine Buchführung konzentrieren.«
»Dass du den Nerv hast!«
Sofie winkte ihm zu und ging weiter. Aber sie war noch nicht weit gekommen, als sie ein kleines Mädchen entdeckte, das ganz allein unter einem der hohen Bäume saß. Die Kleine trug Lumpen und sah blass und kränklich aus. Als Sofie vorüberkam, schob sie die Hand in eine kleine Tüte und hielt eine Streichholzschachtel hoch.
»Möchtest du Schwefelhölzer kaufen?«, fragte sie.
Sofie suchte in ihrer Tasche nach Geld. Doch – sie hatte immerhin eine Krone.
»Wie viel kosten sie denn?«
»Eine Krone.«
Sofie gab der Kleinen die Krone und hielt gleich darauf eine Schachtel Streichhölzer in der Hand.
»Du bist die Erste seit über hundert Jahren, die mir etwas abgekauft hat. Manchmal verhungere ich, manchmal bringt mich auch der Frost um.«
Sofie überlegte sich, dass es vielleicht kein Wunder war, dass die Kleine hier mitten im Wald keine Streichhölzer loswurde. Aber dann fiel ihr der reiche Geschäftsmann von vorhin ein. Das Mädchen mit den Schwefelhölzern brauchte ja wohl nicht zu verhungern, wo er so viel Geld hatte.
»Komm mit!«, sagte Sofie.
Sie nahm die Kleine an der Hand und zog sie mit sich zu dem reichen Mann.
»Du musst dafür sorgen, dass dieses Kind ein besseres Leben hat«, sagte sie.
Der Mann schaute von seinen Papieren auf und erklärte:
»Das kostet Geld und ich habe dir schon erzählt, dass kein einziges Pfund
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