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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Fabrik. Und du kommst mit den Finanzen nicht klar. Dir droht der Konkurs. Und jetzt frage ich dich: Wie kannst du Geld sparen?«
    »Vielleicht könnte ich die Löhne senken?«
    »Clever! Ja, das ist wirklich das Cleverste, was du tun kannst. Aber wenn alle Kapitalisten genauso clever sind wie du – und das sind sie –, dann werden die Arbeiter so arm, dass sie sich nichts mehr kaufen können. Wir sagen dann, dass die Kaufkraft in einer Gesellschaft sinkt. Und nun geraten wir wirklich in einen Teufelskreis. Für das kapitalistische Privateigentum schlage genau dann die Stunde, meinte Marx, denn damit befänden wir uns in einer revolutionären Situation.«
    »Ich verstehe.«
    »Um es kurz zu machen: Marx glaubte, am Ende würden sich die Proletarier erheben und die Macht über die Produktionsmittel an sich reißen.«
    »Und dann?«
    »Marx zufolge gibt es dann für eine Weile eine neue Klassengesellschaft, in der nun die Proletarier das Bürgertum mit Gewalt unterdrücken. Diese Übergangsphase nennt Marx die Diktatur des Proletariates . Danach, so glaubte er, werde die Diktatur des Proletariates von einer klassenlosen Gesellschaft , eben dem Kommunismus , abgelöst. Und das sei eine Gesellschaft, in der die Produktionsmittel ›allen‹ gehörten – also dem Volk selber. In einer solchen Gesellschaft werde ›jeder nach seinen Fähigkeiten‹ arbeiten und ›jeder nach seinen Bedürfnissen‹ erhalten. Die Arbeit gehöre dann dem Volk selber, und deshalb gebe es auch keine Entfremdung mehr.«
    »Das klingt ja wunderbar – aber was ist wirklich passiert? Ist eine Revolution gekommen?«
    »Ja und nein. Heute können Wirtschaftswissenschaftler beweisen, dass Marx sich in mehreren wichtigen Punkten geirrt hat. Nicht zuletzt in seiner Analyse der Krisen des Kapitalismus. Marx hat auch nicht genügend auf die Ausbeutung der Natur geachtet, die wir heute als immer bedrohlicher erleben. Aber – denn es gibt ein großes Aber ...«
    »Ja?«
    »Der Marxismus hat trotzdem zu großen Umwälzungen geführt. Es besteht kein Zweifel darüber, dass es dem Sozialismus , der sich in seinem Kampf um soziale Gerechtigkeit auf Marx beruft, auch wenn er ihm nicht in allem folgt und zum Beispiel die Diktatur des Proletariats ablehnt – dass es diesem Sozialismus gelungen ist, eine menschlichere Gesellschaft zu erkämpfen. Jedenfalls in Europa leben wir heute in einer gerechteren – und solidarischeren – Gesellschaft als die Menschen zu Marx’ Zeiten. Und das verdanken wir nicht zuletzt der gesamten sozialistischen Bewegung .«
    »Geht das noch ein bisschen genauer mit der sozialistischen Bewegung?«
    »In der Zeit nach Marx spaltete sie sich in zwei Hauptrichtungen. Einerseits bekamen wir die Sozialdemokratie , andererseits den Leninismus . Die Sozialdemokratie, die einen schrittweisen und friedlichen Weg zu einer sozialeren und gerechteren Gesellschaftsordnung einschlagen wollte, wurde in Westeuropa führend. Wir können ihren Weg als einen der langsamen Revolution bezeichnen. Der Leninismus, der weiterhin daran glaubte, dass nur die Revolution die alte Klassengesellschaft bekämpfen könne, wurde wichtig für Osteuropa, Asien und Afrika. Jede dieser beiden Bewegungen hat auf ihre Weise gegen Not und Unterdrückung gekämpft.«
    »Aber wurde nicht eine neue Form der Unterdrückung geschaffen? Zum Beispiel in der Sowjetunion und in Osteuropa?«
    »Zweifellos. Und hier sehen wir wieder, dass alles, was die Menschen anfassen, eine Mischung aus Gut und Böse wird. Es wäre nur falsch, Marx für die Irrwege und Schattenseiten der so genannten sozialistischen Länder fünfzig und hundert Jahre nach seinem Tod verantwortlich zu machen. Was man sagen kann, ist, dass er zu wenig bedacht hat, dass selbst der Kommunismus, wenn es ihn je gäbe, nicht ohne Menschen auskäme – und Menschen haben Fehler. Ein Paradies auf Erden kann ich mir darum nur schwer vorstellen. Die Menschen werden sich immer neue Probleme machen.«
    »Bestimmt.«
    »Und damit machen wir hinter Marx einen Punkt, Sofie.«
    »Moment noch! Hast du nicht etwas davon gesagt, dass es Gerechtigkeit nur unter Gleichen gibt?«
    »Nein, das hat Scrooge gesagt.«
    »Woher weißt du, dass er das gesagt hat?«
    »Naja – du und ich haben doch denselben Verfasser. Auf diese Weise sind wir viel enger miteinander verbunden, als es rein oberflächlich betrachtet vielleicht den Anschein hat.«
    »Du verdammter Ironiker!«
    »Doppelter, Sofie, denn das war doppelte Ironie.«
    »Trotzdem

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