Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
Klavier.«
»Pfui, wie ungerecht!«
»Das meinte Marx auch. Im Jahre 1848 veröffentlichte er zusammen mit Friedrich Engels das berühmte Kommunistische Manifest . Der erste Satz in diesem Manifest lautet: ›Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.‹«
»Ich kriege ja richtig Angst.«
»Das ging den Bürgern auch so. Denn jetzt fingen die Proletarier an, sich zu erheben. Willst du hören, wie das Manifest aufhört?«
»Gerne.«
»›Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch! ‹«
»Wenn die Verhältnisse wirklich so schlimm waren, wie du gesagt hast, dann hätte ich das wohl auch unterschrieben. Aber heute sind sie doch wohl anders?«
»In Norwegen ja, aber nicht überall. Noch immer leben viele Menschen unter unmenschlichen Bedingungen. Gleichzeitig können sie Waren herstellen, die den Kapitalismus immer reicher machen. Das bezeichnet Marx als Ausbeutung .«
»Kannst du dieses Wort ein bisschen genauer erklären?«
»Wenn der Arbeiter eine Ware produziert, hat diese Ware einen gewissen Verkaufswert.«
»Ja.«
»Wenn du jetzt den Lohn des Arbeiters und andere Produktionskosten vom Verkaufswert der Ware abziehst, bleibt immer eine Summe übrig. Diese Summe nennt Marx Mehrwert oder Profit. Das bedeutet, dass der Kapitalist einen Wert an sich reißt, den eigentlich der Arbeiter geschaffen hat. Und das nennt Marx Ausbeutung.«
»Ich verstehe.«
»Nun kann der Kapitalist einen Teil des Profits in neues Kapital investieren – zum Beispiel in die Modernisierung der Produktionsanlagen. Das macht er, weil er hofft, die Waren noch billiger produzieren zu können. Und er hofft, dass sich dadurch in der nächsten Runde der Profit erhöht.«
»Ja, das ist logisch.«
»Ja, das hört sich logisch an. Aber weder in dieser Hinsicht noch in einigen anderen werde es auf die Dauer so gehen, wie der Kapitalist sich das vorstelle, sagte Marx voraus.«
»Wie meinte er das?«
»Marx hielt die kapitalistische Produktionsweise für widersprüchlich in sich. Der Kapitalismus war für ihn ein selbstzerstörerisches ökonomisches System, und zwar vor allem deshalb, weil ihm eine vernünftige Steuerung fehlt.«
»Das wäre dann ja fast wieder gut für die Unterdrückten.«
»So könnte man sagen. Für Marx war es jedenfalls ausgemacht, dass das kapitalistische System an seinen eigenen Widersprüchen zu Grunde gehen muss. Er hielt den Kapitalismus für ›progressiv‹ – also zukunftweisend –, aber nur weil er in ihm ein notwendiges Stadium auf dem Weg zum Kommunismus sah.«
»Kannst du mir ein Beispiel dafür geben, dass der Kapitalismus selbstzerstörerisch ist?«
»Ja. Wir haben den Kapitalisten erwähnt, der eine Menge Geld übrig hat und für einen Teil dieses Überschusses seinen Betrieb modernisiert. Daneben muss er natürlich auch die Geigenstunden bezahlen und außerdem hat sich seine Gattin gewisse teure Gewohnheiten zugelegt.«
»Ja?«
»Aber das ist in dem Zusammenhang nicht so wichtig. Er modernisiert also, das heißt, er kauft neue Maschinen und braucht deshalb nicht mehr so viele Angestellte. Das tut er, um seine Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen.«
»Ich verstehe.«
»Aber er denkt nicht als Einziger so. Das heißt, dass die gesamte Produktion in einer Branche dauernd rationalisiert und effektiviert wird. Die Fabriken werden dabei größer und größer und sie fallen in immer weniger Hände. Und was passiert dann, Sofie?«
»Hm ...«
»Dann wird weniger und weniger Arbeitskraft gebraucht. Und immer mehr Arbeiter werden arbeitslos. Deshalb gibt es immer größere soziale Probleme und solche Krisen , meint Marx, seien ein Anzeichen dafür, dass sich der Kapitalismus seinem Untergang nähert. Aber der Kapitalismus hat ihm zufolge noch mehr selbstzerstörerische Züge. Wenn immer mehr Profit an die Produktionsmittel gebunden wird, ohne gleichzeitig genug Mehrwert zu schaffen, um die Produktion zu konkurrenzfähigen Preisen aufrechtzuerhalten ... Ja? Was macht der Kapitalist dann? Kannst du mir das sagen?«
»Nein, das kann ich wirklich nicht.«
»Aber stell dir vor, du hättest eine
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