Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
»Tarot«, »Das UFO-Phänomen«, »Healing«, »Die Götter kehren zurück«, »Du warst schon einmal hier«, »Was ist Astrologie?«, und so weiter. Es gab viele hundert verschiedene Titel. Auf einer Bank unter dem Regal lagen ähnliche Bücher in großen Stapeln.
»Auch das ist das 20. Jahrhundert, Sofie. Das ist der Tempel unserer Zeit.«
»Du glaubst doch nicht an so was?«
»Vieles davon ist jedenfalls Humbug. Aber es verkauft sich genauso gut wie Pornographie. Vieles davon können wir auch als eine Art von Pornographie bezeichnen. Hier kann sich die heranwachsende Generation genau die Bücher kaufen, auf die sie am schärfsten ist. Aber das Verhältnis zwischen wirklicher Philosophie und solchen Büchern ist ungefähr dasselbe wie zwischen wirklicher Liebe und Pornographie.«
»Jetzt bist du fies.«
»Wir setzen uns in den Park.«
Damit verließen sie den Buchladen wieder. Vor der Kirche fanden sie eine leere Bank. Unter den Bäumen stolzierten die Tauben einher und dazwischen gab es auch den einen oder anderen übereifrigen Spatz.
»Es nennt sich ›ESP‹ oder ›Parapsychologie‹«, fing Alberto an. »Es nennt sich ›Telepathie‹, ›Clairvoyance‹, ›Hellseherei‹ und ›Psychokinese‹. Es nennt sich ›Spiritismus‹, ›Astrologie‹ und ›Ufologie‹. Das Kind hat viele Namen.«
»Aber nun sag schon – hältst du das alles für Humbug?«
»Es wäre natürlich für einen echten Philosophen nicht sehr angebracht, alles über einen Kamm zu scheren. Aber ich will nicht ausschließen, dass die Wörter, die ich gerade erwähnt habe, eine zum Teil sogar detaillierte Karte einer Landschaft zeichnen, die es nicht gibt. Es gibt hier jedenfalls viel von dem, was Hume ›Blendwerk und Täuschung‹ nannte und den Flammen übergeben wollte. In vielen dieser Bücher finden wir nicht eine einzige echte Erfahrung.«
»Aber wieso können dann darüber so unglaublich viele Bücher geschrieben werden?«
»Es ist einfach das beste Geschäft der Welt. Viele Menschen wollen so etwas haben.«
»Und warum, glaubst du, wollen sie das?«
»Weil sie eine Sehnsucht nach etwas ›Mystischem‹, nach etwas ›anderem‹ verspüren, das über ihren zähen Alltag hinausweist. Sie schütten nur leider das Kind mit dem Bade aus.«
»Wie meinst du das?«
»Wir hüpfen in einem seltsamen Märchen herum, Sofie. Und vor unseren Augen liegt eine wunderbare Schöpfung. Bei helllichtem Tage, Sofie! Ist das nicht unglaublich?«
»Doch.«
»Warum sollten wir dann Zigeunerzelte oder akademische Hinterhöfe aufsuchen, um etwas ›Spannendes‹ oder ›Grenzüberschreitendes‹ zu erleben?«
»Meinst du, dass die Autoren dieser Bücher nur pfuschen und lügen?«
»Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich erkläre es dir sozusagen darwinistisch.«
»Ich höre!«
»Denk an alles, was im Laufe eines einzigen Tages passiert. Du kannst dich sogar auf einen Tag in deinem eigenen Leben beschränken. Denk an alles, was du siehst und erlebst.«
»Ja?«
»Manchmal gibt es seltsame Zufälle. Zum Beispiel gehst du in den Laden und kaufst etwas, das 28 Kronen kostet. Bald darauf kommt Jorunn und bringt dir 28 Kronen, die sie irgendwann von dir geliehen hatte. Dann geht ihr ins Kino – und du bekommst Platz Nr. 28.«
»Ja, das wären wirklich geheimnisvolle Zufälle.«
»Aber immer noch Zufälle. Es geht darum, dass manche Menschen solche Zufälle sammeln . Sie sammeln geheimnisvolle – oder unerklärliche – Erlebnisse. Wenn dann solche Erlebnisse aus dem Leben einiger Milliarden von Menschen in Büchern gesammelt werden, können sie einem wie ein überwältigendes Beweismaterial vorkommen. Und dieses Material nimmt immer noch zu. Aber auch hier haben wir es mit einer Lotterie zu tun, bei der wir nur die Gewinnerlose sehen.«
»Gibt es denn keine hellseherischen Leute oder ›Medien‹, die so was dauernd erleben?«
»Doch, und wenn wir von den reinen Schwindlern absehen, dann finden wir auch noch eine andere wichtige Erklärung für solche angeblich mystischen Erlebnisse.«
»Erzähl!«
»Du weißt doch sicher noch, dass wir über Freuds Lehre vom Unbewussten sprachen.«
»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nicht vergesslich bin?«
»Schon Freud hat darauf hingewiesen, dass wir oft eine Art ›Medium‹ für unser eigenes Unterbewusstsein sind. Wir können uns plötzlich dabei ertappen, dass wir etwas tun oder denken, ohne so recht zu begreifen, warum. Das liegt daran, dass wir so unendlich viel mehr Erfahrungen,
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