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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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behauptet, alles laufe ganz mechanisch ab. Erakzeptierte keine geistigen Kräfte im Dasein – wie Empedokles und Anaxagoras. Demokrit glaubte außerdem nicht, dass der Mensch eine unsterbliche Seele hat.
    Konnte sie sicher sein, dass er da Recht hatte?
    Sie wusste das nicht so recht. Aber sie stand ja auch erst am Anfang ihres Philosophiekurses.

Das Schicksal
    ... der Wahrsager versucht, etwas zu deuten, das eigentlich nicht zu deuten ist ...
    Sofie hatte das Gartentor im Auge behalten, während sie über Demokrit las. Sie beschloss aber dennoch, sicherheitshalber noch einen Ausflug zum Briefkasten zu machen.
    Als sie die Haustür öffnete, entdeckte sie draußen auf der Treppe einen kleinen Briefumschlag. Und genau – als Adresse stand darauf »Sofie Amundsen«.
    Also hatte er sie ausgetrickst! Ausgerechnet heute, wo sie den Briefkasten so genau beobachtet hatte, hatte sich der geheimnisvolle Philosoph aus einer anderen Richtung zum Haus geschlichen und den Brief einfach auf die Treppe gelegt, ehe er sich wieder im Wald verkrochen hatte. Verflixt!
    Woher konnte er wissen, dass Sofie gerade heute den Briefkasten im Auge behalten wollte? Vielleicht hatte er (oder sie) Sofie am Fenster gesehen? Auf jeden Fall war sie froh, dass sie den Umschlag gefunden hatte, ehe ihre Mutter nach Hause gekommen war.
    Sofie ging wieder auf ihr Zimmer und öffnete dort den Brief. Der weiße Umschlag war an den Rändern etwas feucht, und er wies außerdem einige tiefe Kerben auf. Wieso wohl? Es hatte seit Tagen nicht mehr geregnet.
    Auf dem Zettelchen stand:
     
    Glaubst du an das Schicksal?
    Ist Krankheit die Strafe der Götter?
    Welche Kräfte lenken den Lauf der Geschichte?
    Ob sie an das Schicksal glaubte? Nein, eigentlich eher nicht. Aber sie kannte ziemlich viele Menschen, die das taten. Zum Beispiel lasen mehrere ihrer Klassenkameradinnen die Horoskope in den Illustrierten. Und wenn sie an Astrologie glaubten, dann glaubten sie sicher auch an das Schicksal, denn die Astrologen glaubten ja, dass die Position der Sterne am Himmel etwas über das Leben der Menschen auf der Erde aussagen konnte.
    Wenn man glaubte, dass eine schwarze Katze, die über den Weg lief, Unglück bedeutete – ja, dann glaubte man wohl auch an das Schicksal? Je mehr sie
     darüber nachdachte, umso mehr Beispiele für Schicksalsgläubigkeit fand sie. Warum sagte man zum Beispiel »Klopf auf Holz«? Und warum war Freitag der 13. ein Unglückstag? Sofie hatte gehört, dass viele Hotels kein Zimmer mit der Nummer 13 hatten. Sicher weil es viele abergläubische Menschen gab.
    »Aberglaube« – war das nicht ein seltsames Wort? Wenn man an den lieben Gott glaubte, dann hieß das nur »Glaube«. Aber wenn man an Astrologie oder Freitag den 13. glaubte, dann war das gleich Aberglaube!
    Wer hatte das Recht, den Glauben anderer Menschen als Aberglauben zu bezeichnen?
    Sofie war sich einer Sache jedenfalls sicher: Demokrit hatte nicht an das Schicksal geglaubt. Er war Materialist. Er hatte nur an die Atome und den leeren Raum geglaubt.
    Sofie versuchte, über die anderen Fragen auf dem Zettel nachzudenken.
    »Ist Krankheit die Strafe der Götter?« So was glaubte heutzutage doch wohl kein Mensch mehr? Aber dann fiel ihr ein, dass viele Menschen zu Gott beteten, um gesund zu werden, und dann mussten sie doch glauben, dass Gott auch bei der Frage, wer krank sein sollte und wer gesund, seine Finger mit im Spiel hatte.
    Die letzte Frage war die schwierigste. Sofie hatte sich nie überlegt, was wohl den Lauf der Geschichte lenkt. Aber das mussten doch wohl die Menschen sein? Wenn es Gott oder das Schicksal war, dann konnten die Menschen eigentlich keinen freien Willen haben.
    Das mit dem freien Willen brachte Sofie auf einen ganz anderen Gedanken. Warum sollte sie hinnehmen, dass der geheimnisvolle Philosoph mit ihr Katz und Maus spielte? Warum konnte nicht auch sie ihm einen Brief schreiben? Er oder sie würde sicher entweder im Laufe der Nacht oder am nächsten Vormittag einen neuen Brief in den Kasten legen. Und deshalb würde sie ebenfalls einen Brief für ihren Philosophielehrer hinterlegen.
    Sofie ging ans Werk. Sie fand es sehr schwierig, an einen Menschen zu schreiben, den sie noch nie gesehen hatte. Sie wusste ja nicht einmal, ob sie an einen Mann oder an eine Frau schrieb. Sie wusste auch nicht, ob dieser Mensch alt oder jung war. Und schließlich konnte dieser Mensch sogar jemand sein, den Sofie kannte.
    Bald hatte sie ein Briefchen formuliert:
    Sehr geehrter

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