Soforthilfe bei Stress und Burn-out
etwas falsch gelaufen. Wir müssen also zu »hören« lernen und herausfinden, wann das Leugnen der eigenen Körperwahrnehmungen schädlich wird, und zwar bevor es zu spät ist. Unser Körper ist - ob wir das wollen oder nicht - unser einzig wirkliches Zuhause.
Der Burn-out-Zustand
Akutes Burn-out
Nachdem wir uns mit Stress und den Grundlagen des menschlichen Seins beschäftigt haben, wird es Zeit, uns dem Zustand zu widmen, der mir persönlich bisher zum Glück erspart geblieben ist und den ich hoffentlich auch nicht am eigenen Leib erfahren muss. Wenn man persönlich jemanden kennengelernt hat, der in einem solchen Zustand ist, dann weià man um die wirkliche Dramatik und versteht auch nicht mehr die Diskussion, ob Burn-out denn wirklich ein ernst zu nehmendes Phänomen ist. Denn dann weià man: Hier geht es für den Betroffenen ums Ganze.
Wenn sich ein Mensch in einem Zustand befindet, in dem er nicht mehr in der Lage ist, über sich selbst zu bestimmen, er sich komplett verändert fühlt und seine Stimmung ihm selbst total unbekannt ist, geht es ihm vergleichsweise noch recht gut, wenn ihm normale Aktivitäten wie Gehen, Essen und Reden möglich sind.
Wirklich schlimm ist es, wenn selbst diese Dinge nicht mehr funktionieren, die Beine den Körper nicht mehr tragen
können, das Sprechen einfacher Wörter eine unglaubliche Anstrengung bedeutet und sie nur noch lallend formuliert werden können. In der Regel kommt dann bald der Krankenwagen und es wird eine stationäre somatische Stabilisierung eingeleitet. Wenn der Kreislauf wieder funktioniert, beschreiben Menschen diesen Zustand so, dass für sie alles anders geworden sei.
Angstgefühle sind dann aktiviert, Schlafstörungen normal, Ãbelkeit ist ein Dauerzustand. Konzentration ist nur schwer aufzubringen und kleinste Anstrengungen kosten unglaublich groÃe Ãberwindung. Die Gedanken drehen sich in der Regel immer im Kreis und führen einen nicht weiter. Von auÃen betrachtet fällt ein veränderter Ausdruck im Gesicht und in der ganzen Körperhaltung auf. Der Habitus wirkt oft gebeugter und als Hauptwirkung ist eine Erstarrung genauso möglich wie eine fahrige Angespanntheit.
Zwei Beispiele verdeutlichen diesen Zustand:
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Rudolf Meister war als erfolgreicher Unternehmensführer für seinen Arbeitgeber, einen weltweit aktiven Konzern, immer wieder in besonders schwierigen Situationen unterwegs. Als Geschäftsführer der Europa-Division hatte er sich trotz seiner jungen Jahre (er war 39, als ich ihn kennenlernte) einen so guten Namen gemacht, dass ihm der Aufbau der China-Abteilung übertragen wurde. Als Schweizer in einem italienischen Konzern hatte er einen derart herausragenden Ruf, dass er das gute Angebot schlecht ablehnen konnte. Mit seiner Familie zog er im vollstem Einverständnis mit seiner Frau nach China um. Man bot ihm ausgezeichnete Wohn- und Schulbedingungen für die Kinder. Doch bereits in der dritten Woche, als
er nach einem Geschäftstreffen von seinem Chauffeur nach Hause gebracht worden war, setzte er sich auf das von der Schweiz mitgebrachte Designersofa und es blieb ihm die Luft weg: »Es war, als wenn eine Lawine über mich hereinbrechen würde.« Der Atem wurde schlagartig eng, er bekam Erstickungsgefühle. Der Magen zog sich zusammen, der Kreislauf brach ein. Seine Frau kam dazu und initiierte die stabile Seitenlage.
Ich habe Herrn Meister erst zweieinhalb Jahre später kennengelernt. Während der ganzen Zeit hatte er irgendwie versucht, mit der Situation klarzukommen, und war dabei, sich mit seiner reduzierten Kraft abzufinden und sein Leben der Burn-out-Situation anzupassen. Aber zu Beginn, im ersten Moment des schlagartig einsetzenden Burn-out, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in China in die Hände der dortigen Medizin zu begeben. Im Gegensatz zu einigen westlichen Verklärungen über chinesische Medizin waren seine Erfahrungen damit nicht wirklich positiv. Hilfe aus der Schweiz, zum Teil über Telefon, verhinderte das Schlimmste.
Herrn Meisters Fall ist natürlich eine Geschichte mit Vorgeschichte. Im Grunde genommen war er schon über ein halbes Jahr vor seinem China-Engagement komplett fremdbestimmt und fühlte sich, zumindest was seine Terminplanung anging, aufgrund der Sachzwänge immer handlungsunfähiger. Sein eigener Handlungsspielraum war äuÃerst eng, der Druck nahm aber
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