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Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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herumzusitzen bekommt einem in meinem Alter nicht mehr.« Er sah den Berg hinunter. »Sie ist nicht mehr zu sehen. Sie ist auch noch in die falsche Richtung gelaufen.«
    »Was?«
    Rawsthorne lächelte und zeigte mit der Hand in die Richtung von St. Pierre. »Die Straße nach St. Michel ist dort drüben, sie verläßt St. Pierre und hält sich an den Hängen des Negrito-Tals, bevor sie über den Kamm und dann zur Küstenstraße hinüberführt. Wenn wir weggehen wollen, würde ich vorschlagen, dort hinüberzugehen, ich glaube nicht, daß die Straße überflutet ist.«
    »Aber Sie meinen nicht, daß wir weggehen sollten?« sagte Julie sachlich.
    »Nein. Ich fürchte, wir bekommen noch mehr Wind. Wir haben einen sicheren Ort gefunden, und ich meine, wir sollten lieber hierbleiben, solange wir es nicht sicher wissen. Wenn der Wind in drei oder vier Stunden nicht wieder zunimmt, können wir beruhigt gehen.«
    »Also gut – bleiben wir hier«, sagte Julie. Sie ging hinüber an den Rand der Schlucht und sah auf die glatte Wasserwand unter dem Felsblock. Die Höhle war vollkommen hinter diesem Wasservorhang verborgen. Sie lachte und wandte sich wieder zu Rawsthorne um. »Ein Gutes hat die Sache – wir werden jetzt viel mehr Platz haben, wo die dicke Tante weg ist.«
    ***
    Wyatt stand auf dem Höhenrücken vor St. Pierre und blickte über die Stadt. Die Flut war zurückgegangen seit seinem schrecklichen Anblick im Licht eines Blitzes, aber die Hälfte der Stadt war immer noch unter Wasser. Die entscheidende Welle hatte häßliche Beweise der Zerstörung zurückgelassen: die Trümmer einer abgerissenen Stadt an der Hochwassergrenze im halben Hang. Die Häuser unten, von denen aus nur einige Stunden vorher der Angriff geführt wurde, waren vollkommen verschwunden, und ebenfalls verschwunden war das Hüttenviertel im Mittelgrund. Nur der Stadtkern stand noch – einige moderne Hochhäuser aus Stahl und Beton und die älteren Steingebäude, die schon mehr als einen Hurrikan überstanden hatten.
    In der Ferne war der Radarturm verschwunden, der den Stützpunkt Cap Sarrat markierte; er war vom Hurrikan umgelegt worden wie ein Grashalm von der Sichel. Der Stützpunkt selbst war zu niedrig und zu weit entfernt, um zu sehen, ob viel weiterer Schaden angerichtet wurde. Wyatt sah aber Wasser schimmern, wo eigentlich kein Wasser sein sollte.
    Und von der Armee der Regierung war nichts zu sehen – keine Bewegung in der zerstörten Stadt.
    Causton und Dawson kamen den Hang herauf und gesellten sich zu Wyatt. »Was für ein Trümmerhaufen!« sagte Causton und stieß vielsagend die Luft aus. »Ich bin froh, daß wir die Bevölkerung herausgeschafft haben.« Er wühlte in seiner Tasche und brachte ein Feuerzeug und eine Schachtel durchnäßte, zerweichte Zigaretten zum Vorschein. »Ich habe immer meinen Stolz darin gesehen, auf alles vorbereitet zu sein. Hier habe ich mein wasserdichtes Feuerzeug, das unter allen Umständen funktioniert.« Er knipste, und es erschien eine ruhige, stabile Flamme. »Aber sehen Sie sich meine verdammten Zigaretten an!«
    Dawson sah die Flamme an, die in der ruhigen Luft brannte, ohne zu flackern. »Sind wir wirklich im Zentrum dieses Hurrikans?«
    Wyatt nickte. »Genau im Auge. Etwa eine Stunde weiter, und wir sind wieder im dicken Schlamassel drin. Ich glaube aber nicht, daß Mabel noch viel mehr Regen bringt, es sei denn, daß der verdammte Bursche stehenbleibt. Das tun sie manchmal.«
    »Machen Sie es nicht noch schlimmer!« bat Causton. »Es reicht schon, daß wir noch einmal so eine Tortur vor uns haben.«
    Dawson rieb sich mit der verbundenen Hand unbeholfen das Ohr. »Ich habe schreckliche Ohrenschmerzen.«
    »Komisch«, sagte Causton, »ich auch.«
    »Das ist der niedrige Druck«, sagte Wyatt. »Halten Sie Ihre Nase zu und blasen Sie sie dann auf, um den Druck auszugleichen!« Er zeigte mit dem Kopf auf die überflutete Stadt. »Es ist der niedrige Luftdruck, der all das Wasser hier festhält.«
    Während die andern häßliche Schnarchgeräusche machten, sah er zum Himmel hinauf. Dort war eine Wolkendecke, von der er nicht sagen konnte, wie dick sie war. Er hatte gehört, daß man im Auge eines Hurrikans den blauen Himmel sehen konnte, aber er hatte ihn noch nie selbst gesehen, noch hatte er jemand getroffen, der ihn gesehen hatte, und er war geneigt, das als eine der Übertreibungen abzutun, die in der Wetterkunde häufig zu finden waren. Er faßte seinen Ärmel an und merkte, daß er fast trocken

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