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Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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blankgefegt.
    Rawsthorne sah ins Tal hinunter. »Mein Gott!« rief er aus. »Sehen Sie den Gran Negrito – den Fluß!«
    Die ganze Talsohle war von einer bleifarbenen Wasserfläche ausgefüllt. Das Negrito-Tal entwässerte den größten Teil der Südhänge des Massif des Saints, und die ungeheuren Wassermengen, die von den Bergen herunterkamen, hatten sich mit dem durch die Flut in die Mündung gedrückten Wasser vereinigt. Der Fluß hatte die Uferdämme durchbrochen, hatte die Plantagen überflutet und Straßen und Brücken zerstört. Sogar wo sie standen, so hoch über dem Tal, und trotz des starken Windes hörten sie das Murmeln der Fluten.
    Mrs. Warmington war weiß im Gesicht. »Lebt dort unten niemand mehr?«
    »Die Menschen, die wir sahen, kletterten die Hänge herauf«, sagte Rawsthorne. »Es ist nicht anzunehmen, daß die Fluten sie erfaßt haben.«
    »Lassen Sie uns hinuntersteigen und nachsehen«, schlug Julie vor.
    »Nein!« sagte Rawsthorne scharf, und Julie sah ihn überrascht an. »Ich glaube nicht, daß wir den Hurrikan schon hinter uns haben.«
    »Das ist Unsinn«, sagte Mrs. Warmington. »Der Wind wird immer schwächer. Natürlich ist er vorbei.«
    »Das verstehen Sie nicht«, sagte Rawsthorne. »Ich glaube, wir sind im Auge des Hurrikans. Wir haben die zweite Hälfte noch vor uns.«
    »Meinen Sie, wir müssen all das noch einmal durchmachen?« fragte Julie erschrocken.
    Rawsthorne lächelte bedauernd. »Leider müssen wir das wahrscheinlich.«
    »Aber Sie wissen es nicht bestimmt«, sagte Mrs. Warmington. »Nicht wahr, Sie wissen es nicht bestimmt?«
    »Nicht bestimmt, aber ich glaube, wir sollten noch nichts riskieren. Es hängt alles davon ab, ob der Hurrikan uns genau getroffen hat oder ob er uns nur gestreift hat. Wenn er uns voll getroffen hat, sind wir im Auge und müssen noch die zweite Hälfte über uns ergehen lassen. Ich verstehe jedoch nicht genug vom Wetter; Wyatt könnte es uns sagen, wenn er hier wäre.«
    »Aber er ist nicht hier«, sagte Mrs. Warmington. »Er hat sich ins Gefängnis gebracht.« Sie hoppelte über den Berghang und sah hinunter. »Dort unten sind Leute – ich kann sie laufen sehen.«
    Rawsthorne und Julie gingen zu ihr hinüber und sahen an den tiefer liegenden Hängen Menschen krabbeln. »Es ist auf eine Art gut, daß die Talsohle überflutet ist«, sagte er. »Sie können nicht hinuntergehen, wo sie vielleicht in der zweiten Hälfte dem Sturm zum Opfer fallen würden.«
    »Also, ich gehe hinunter«, sagte Mrs. Warmington mit unerwarteter Bestimmtheit. »Ich habe es satt, mich von Ihnen beiden herumschubsen zu lassen. Außerdem habe ich Hunger.«
    »Machen Sie keine Dummheiten!« sagte Julie. »Mr. Rawsthorne versteht mehr davon als Sie. Hier oben sind Sie sicherer.«
    »Ich gehe«, sagte Mr. Warmington und rückte ein Stück von ihnen ab. »Und Sie werden mich nicht daran hindern.« Ihr Kinn zitterte vor törichter Halsstarrigkeit. »Ich halte es für Unsinn zu sagen, daß wir noch so einen Sturm kriegen, wie wir eben gehabt haben – so etwas gibt es nicht. Und dort unten wird es etwas zu essen geben, ich sterbe vor Hunger.«
    Sie wich aus, als Julie auf sie zutrat. »Und Sie schieben mir für alles die Schuld zu, ich kenne Sie. Sie kommandieren und stoßen mich dauernd herum – das würden Sie nicht tun, wenn ich stärker wäre als Sie. Ich meine, Sie sollten sich schämen, eine Frau zu schlagen, die älter ist als Sie. Deshalb gehe ich – ich gehe zu den Leuten dort.« Sie sprang zurück, als Julie nach ihr greifen wollte, und wackelte den Berg hinab. Sie humpelte komisch, weil sie nur einen Schuh anhatte. Rawsthorne rief Julie zurück: »Oh, lassen Sie das verdammte Weib laufen! Sie war die ganze Zeit nur eine Plage, und ich freue mich, sie von hinten zu sehen.«
    Julie stoppte und kam langsam wieder den Berg herauf. »Meinen Sie, daß sie durchkommt?« fragte sie zweifelnd.
    »Das ist mir ganz egal«, sagte Rawsthorne müde. »Sie hat uns die ganze Zeit nur Schwierigkeiten gemacht, und ich sehe nicht ein, warum wir uns umbringen sollen bei dem Versuch, ihr das Leben zu retten. Wir haben unser möglichstes für sie getan, mehr können wir nicht tun.« Er setzte sich auf einen Stein und stützte den Kopf in die Hände. »Gott, bin ich müde.«
    Julie beugte sich über ihn. »Sind Sie krank?«
    Er hob das Gesicht und lächelte ihr müde zu. »Es geht schon, meine Liebe. Es fehlt mir nichts weiter. Ich bin nur einfach zu alt. In nasser Kleidung

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