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Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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wirklich näher«, sagte Julie.
    »Das kann der Wind machen«, sagte Rawsthorne. Er sagte es zweifelnd. Es wehte kein Wind.
    Als die Sonne unterging, bereiteten sie sich auf die Nacht vor und teilten Wachen ein. Mrs. Warmington durfte die ganze Nacht schlafen, weil sie zu unzuverlässig war. Sie plauderten noch eine Weile und legten sich dann hin, bis auf Julie, die die erste Wache hatte.
    Sie saß in der plötzlich hereingebrochenen Dunkelheit und horchte nach dem Geschützlärm. Für ihr ungeschultes Ohr hörte es sich an, als wären die Kanonen eben hinter dem Berg, aber sie tröstete sich mit Rawsthornes Erklärung. Sie sah einen zuckenden roten Schein im Westen, aus der Richtung von St. Pierre – es brannte in der Stadt.
    Sie suchte in ihren Taschen und fand eine zerdrückte Zigarette. Sie steckte sie an und zog den Rauch gierig ein. Es war ein schlimmer Tag gewesen; sie war angespannt, und die Zigarette gab ihr Entspannung. Sie lehnte sich an einen Bananenstamm – oder eine Staude oder was es war – und dachte über Wyatt nach und fragte sich, was mit ihm geschehen sein mochte. Vielleicht war er schon tot. Vielleicht rannte er in einer Zelle auf und ab und wartete auf den tödlichen Sturm, von dem nur er allein wußte, daß er kommen würde. Sie bedauerte von ganzem Herzen, daß sie getrennt worden waren – was immer auch geschehen würde, wenn sie nur bei ihm sein könnte.
    Und Causton – was war aus Causton geworden? Wenn er zum Hotel zurückkäme, würde er den Zettel finden, den sie an die Tür der Besenkammer unter der Treppe geheftet hatten, und würde wissen, daß sie sich in Sicherheit gebracht hatten. Aber er würde nicht genug wissen, um sie hier zu finden. Sie hoffte, daß er in Sicherheit war – aber ihre Gedanken verweilten länger bei Wyatt.
    ***
    Der Mond war eben aufgegangen, als sie Eumenides wie verabredet weckte. »Alles ruhig«, sagte sie leise. »Es rührt sich nichts.«
    Er nickte und sagte: »Kanonen sehr nache – mehr nache jetzt.«
    »Meinen Sie?«
    Er nickte, sagte aber nichts weiter. Daher ging sie zu ihrem eigenen Deckungsloch und legte sich zum Schlafen hin. Es ist wie ein Grab, dachte sie, als sie sich auf der Decke ausstreckte, die auf dem Boden lag. Sie dachte wieder an Wyatt, sehr verschwommen und schläfrig, und schlief dann ein, bevor sie den Gedanken vollendet hatte. Sie erwachte von einer Berührung am Gesicht und kam hoch. Sie wurde aber gleich wieder niedergedrückt.
    »Sssch«, zischte jemand. »Still bleiben!«
    »Was ist los, Eumenides?« flüsterte sie.
    »Weiß nicht«, sagte er leise. »Viele Leute 'ier – 'ören Sie!«
    Sie hörte ein undefinierbares Geräusch, das von keiner bestimmten Stelle, sondern von überall gleichzeitig zu kommen schien. »Es ist der Wind in den Bananenblättern«, murmelte sie.
    »Nix Wind«, sagte Eumenides bestimmt.
    Sie horchte wieder und hörte etwas, das sich wie Sprechen in der Ferne anhörte. »Ich weiß nicht, ob Sie recht haben«, sagte sie, »aber wir sollten wohl die andern wecken.«
    Er ging und schüttelte Rawsthorne, während Julie Mrs. Warmington weckte, die überrascht aufheulte. »Verdammt, seien Sie still!« fuhr Julie sie an und legte Mrs. Warmington ihre Hand auf den Mund, als dieser sich wieder öffnete. »Wir sind vielleicht in Gefahr. Bleiben Sie liegen und stellen Sie sich darauf ein, daß wir vielleicht schnell weg müssen! Und machen Sie keinen Lärm!«
    Sie ging hinüber zu Rawsthorne und Eumenides, die leise berieten. »Da ist etwas los«, sagte Rawsthorne. »Das Artilleriefeuer hat auch aufgehört. Eumenides, Sie gehen auf den Berg hinauf und sehen nach, was auf der Seeseite vorgeht; ich werde das Tal erkunden. Der Mond scheint hell genug, da kann man ziemlich weit sehen.« In seiner Stimme lag Verblüffung. »Aber diese verflixten Geräusche scheinen aus allen Richtungen zu kommen.«
    Er stand auf. »Können wir Sie hier allein lassen, Julie?«
    »Aber sicher«, sagte sie. »Und ich werde das verdammte Weib ruhighalten, und wenn ich sie erschlagen muß.«
    Die beiden Männer gingen und verschwanden zwischen den Bananenstauden. Rawsthorne huschte zwischen den Reihen dahin und schob sich immer näher an die Gefangenenunterkünfte heran. Bald kam er an einen Wirtschaftsweg, der die Plantage durchzog, und er wartete, bevor er ihn überquerte – was nur gut war, denn er hörte eine Stimme ganz in der Nähe.
    Er erstarrte und ließ eine Gruppe von Männern auf dem Weg vorbeigehen. Es waren

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