Sohn der Dunkelheit
sah sich im Wageninneren um. Alles in Ordnung: die Struktur des schwarzen Leders, die Maserung der Walnussverschalung, die Trennscheibe, alles, wie es sein sollte. Es lag also nicht an seinen Augen.
Erneut richtete er den Blick aus dem Fenster. Das da draußen waren keine Nebelfetzen. Auch kein Schneeregen. Nein, diese Sichtbehinderung hatte nichts mit der Witterung zu tun – es war, als würde sich Furcht aus der Luft heraus kristallisieren und als unheilvoller Dunst auf die Landschaft senken.
Cooler Schutzschild, dachte er anerkennend.
Dabei hatte er geglaubt, er und sein Bruder wären die Einzigen, die diese Art von Tricks beherrschten.
» Wir sind bald da « , sagte er.
» Was ist das für ein Zeug? « , murmelte iAm und blickte aus dem Fenster.
» Ich weiß es nicht. Aber das müssen wir uns unbedingt auch besorgen. «
Auf einmal ging es bergauf, was bei ihrem mörderischen Tempo dem ersten Teilstück einer Achterbahn gleichkam. Doch sie erreichten keinen Gipfel und rauschten danach im freien Fall bergab: Stattdessen tauchte wie aus dem Nichts ein gewaltiges Steinhaus vor ihnen auf, so plötzlich, dass Trez sich am Handgriff festklammerte und auf den Aufprall wartete.
Doch der Bleifußbutler war bestens mit Gelände und Bremsweg seines Gefährts vertraut. Mit der Routine eines Stuntfahrers riss er das Steuer herum und stieg in die Eisen, sodass sie zwischen zwei anderen Autos zum Stehen kamen – einem GTO , bei dem Trez glänzende Augen bekam, und einem Hummer, der mehr an ein abstraktes Kunstwerk als an ein Transportmittel erinnerte.
»Vermutlich sein Übungswagen«, bemerkte Trez trocken.
Die Türen entriegelten sich, und die Brüder stiegen gleichzeitig aus.
Mann, was für eine Hütte, dachte Trez, und legte den Kopf in den Nacken, um an dem Gebäude aufzublicken. Neben diesem Ungetüm aus Stein wirkte er so groß wie ein Daumen.
Der eines Zweijährigen.
Dunkles Steingemäuer, zwei mächtige Flügel, drei Stockwerke, Wasserspeier, die vom Dachgesims in die Nacht hinaus starrten – dieser Bau sah wirklich exakt so aus, wie man sich die Behausung des Königs der Vampire vorstellen würde: schaurig, düster und bedrohlich.
Die perfekte Halloweenkulisse, nur dass hier alles echt war. Die Bewohner dieses Gemäuers bissen wirklich zu, und das nicht nur, wenn man sie darum bat.
» Cool « , sagte Trez und fühlte sich sofort wie zu Hause.
» Warum gehen die Herrschaften nicht rein? « , meinte der Doggen gut gelaunt. » Ich kümmre mich um das Gepäck. «
» Nein « , winkte Trez ab und ging zum Kofferraum. » Wir haben so viel Scheißzeug … äh, Gerümpel. «
Kraftausdrücke gingen einem nicht leicht über die Lippen in Anwesenheit eines befrackten Butlers.
iAm nickte. » Ja, wir erledigen das selbst. «
Der Diener sah sie abwechselnd an, ohne sein Lächeln abzulegen. » Aber nicht doch, Sires, Ihr müsst Euch den Feierlichkeiten anschließen. Wir erledigen diese profanen Dinge für Euch. «
» O nein, wir können … «
» Es geht ja auch ganz schnell … «
Fritz schien verwirrt, dann etwas panisch. » Aber bitte, meine Herren, nehmt an den Festlichkeiten teil. Ich kümmere mich um das Gepäck, das gehört zu meinen Aufgaben in diesem Haus. «
Seine Besorgnis war vollkommen überzogen, doch offensichtlich konnten sie nichts sagen, ohne ihn noch mehr zu erregen. Er sah wirklich aus, als könnte er einen Herzinfarkt bekommen, wenn sie ihr Gepäck selbst ins Haus schleiften.
Andere Länder, andere Sitten, dachte Trez. » Gut, in Ordnung. Vielen Dank. «
» Ja, sehr freundlich. «
Augenblicklich war das gewinnende Lächeln zurück. » Wundervoll, die Herrschaften. «
Und als der Doggen ihnen den Weg zum Eingang wies, als ob sich der Zweck des großen, kathedralenartigen Portals nicht von selbst erschließen würde, zuckte Trez die Schultern und stieg die Stufen empor.
» Meinst du, wir dürfen uns den Hintern selbst abwischen? « , flüsterte er.
» Nur, wenn er nicht mitkriegt, dass wir aufs Klo gehen. «
Trez lachte bellend und sah seinen Bruder an. » Das war ein Witz, iAm. Oder? Ich glaube schon. «
Er knuffte seinen Bruder mit dem Ellbogen und bekam ein Knurren zur Antwort, dann langte er nach der schweren Türklinke. Leicht verwundert stellte er fest, dass die Tür gar nicht verschlossen war. Doch wenn man von diesem … was immer … umgeben war, brauchte man wohl keine Sicherheitsschlösser. Die Tür öffnete sich, ohne zu quietschen, was keine Überraschung war. Dieses
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