Sohn der Dunkelheit
also allen Ernstes behaupten, vollkommen offen zu uns zu stehen? Wie zum Beispiel neulich, als Vishous da zur Tür rauskam? « Er deutete energisch auf den Aufwachraum. » Da bist du nicht aufgesprungen wie von der Tarantel gestochen? Du willst mir erzählen, du würdest dich damit brüsten, einen Kerl zu vögeln? «
Qhuinn schien einen Moment lang fassungslos. » Du glaubst, das war der Grund? Und nicht, lass mal überlegen, weil ich dich nicht in Verlegenheit bringen wollte, weil du deinen Freund betrügst? «
Mittlerweile standen sie sich nach vorne gebeugt gegenüber, und ihre Stimmen hallten durch den Flur.
» Ach, Blödsinn! « Blay schlug mit der Hand in die Luft. » Das ist völliger Blödsinn! Siehst du, das war schon immer dein Problem. Du wolltest nie zu deiner sexuellen Orientierung stehen … «
» Sexuelle Orientierung? Du denkst also, ich wäre schwul? «
» Du vögelst Kerle! Was glaubst du denn, was das bedeutet? «
» Das bist du – du vögelst Kerle. Du magst keine Frauen und Vampirinnen … «
» Du konntest nie akzeptieren, wer du bist « , bellte Blay, » weil du Angst davor hast, was die Leute denken! Der große Rebell, Mr Piercing, verkorkst durch seine verfickte Familie! In Wahrheit bist du ein Feigling und warst es schon immer! «
Qhuinn kochte jetzt regelrecht und sah aus, als würde er Blay gleich eine reinhauen. Verdammt, Blay wünschte sich sogar, er würde zuschlagen, damit er zurückschlagen konnte.
» Lass uns eines klarstellen « , blaffte Qhuinn. » Versuch nicht, deinen Scheiß auf mich abzuwälzen. Und das beinhaltet auch meinen Cousin und die Tatsache, dass du ihn betrogen hast. «
Blay warf die Hände in die Luft und lief umher, um nicht aus der Haut zu fahren. » Ich ertrage es nicht länger. Ich kaue das nicht noch einmal mit dir durch. Mir kommt es vor, als hätte ich mich mein ganzes Leben lang mit deinen Problemen herumgeschlagen … «
» Wenn ich schwul bin, warum warst du dann der einzige Kerl, mit dem ich je etwas hatte? «
Blay blieb wie vom Donner gerührt stehen und konnte Qhuinn nur anstarren, während Bilder von all diesen Männern in den Toiletten vor seinem geistigen Auge vorüberzogen. Grundgütiger, er erinnerte sich an jeden Einzelnen von ihnen, obwohl Qhuinn das sicher nicht tat. An ihre Gesichter. Ihre Körper. Ihre Orgasmen.
Und alle hatten sie bekommen, wonach er sich gesehnt hatte, und was ihm verwehrt geblieben war.
» Wie kannst du es wagen « , flüsterte Blay. » Wie kannst du es verdammt noch mal wagen. Oder glaubst du, ich war nicht dabei? Ich musste länger zusehen, als mir lieb war. Und ganz ehrlich: So interessant war es nicht – genauso wenig wie du. «
Als Qhuinn erblasste, begann Blay den Kopf zu schütteln. » Ich hab’s so satt. Ich will nichts mehr damit zu tun haben – dass du dich selbst nicht annehmen kannst, wird alles zerstören, was von deinem Leben noch übrig ist, aber das ist dein Problem, nicht meines. «
Qhuinn fluchte lang und ausgiebig. » Ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemals sagen würde … aber du kennst mich nicht. «
» Ich kenne dich nicht? Ich glaube, der Fall liegt anders, Arschloch. Du kennst dich nicht. «
Nach diesen Worten erwartete Blay, dass Qhuinn in die Luft gehen würde. Irgendeine gigantische theatralische Reaktion.
Doch nichts passierte.
Qhuinn drückte lediglich die Schultern durch, hob das Kinn auf Normalhöhe und sprach vollkommen beherrscht. » Ich habe jetzt ein Jahr lang versucht, herauszufinden, wer ich bin, mir und anderen nichts mehr vorzumachen, vernünftig zu werden … «
» Dann hast du dreihundertfünfundsechzig Nächte verschwendet. Aber auch das ist dein Problem. «
Und mit einem fiesen Fluch wandte Blay sich ab und ging – er blickte nicht zurück. Dafür gab es keinen Anlass. Es war niemand hier, den er sehen wollte.
Mann, wenn der Inbegriff von Wahnsinn darin bestand, immer wieder das Gleiche zu tun und sich ein neues Ergebnis davon zu erhoffen, dann hatte er schon vor Jahren den Verstand verloren. Wenn ihm seine geistige Gesundheit lieb war, sein emotionales Wohlbefinden und sein bares Leben, dann musste er dem Ganzen ein Ende setz…
Qhuinn riss ihn am Arm herum und kam ganz nah mit seinem wütenden Gesicht an ihn heran. » Lauf jetzt nicht einfach weg. «
Blay fühlte, wie ihn eine Welle der Erschöpfung erfasste. » Warum? Hast du noch irgendetwas zu sagen? Irgendeine Selbsterkenntnis, die das Puzzle richtig zusammenfügen soll? Irgendein großes
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