Sohn Der Nacht
gedacht.« Er strich mit dem Finger über den abgegriffenen Einband, und sie lächelte. »Wie oft hast du es denn schon gelesen?«
»Oh, sieben- oder achtmal.«
»Wovon handelt es denn?«
»Es handelt von diesem Mädchen im weißen Haus, einem, Mädchen, das man ihren richtigen Eltern gestohlen hatte, als sie noch ein Baby war, und sie ist lange Zeit sehr traurig, bis sie herausfindet, daß ihr Vater ein richtiger König ist. Er findet sie und nimmt sie mit nach Hause, und sie wird eine Prin zessin.«
Zane hatte ein Gefühl, als hätten sich die Himmel geöffnet und die Götter lächelten auf ihn herunter. Vielleicht war es eine ganz gewöhnliche Mädchenphantasie, aber heute nacht schien es geradezu schicksalhaft. Er berührte die Hand seiner Tochter. »Jenny, du bist wie diese Prinzessin. Tief im Innern hast du das doch schon immer gefühlt, nicht wahr?«
Sie nickte ganz leicht, aber er sah die Faszination in ihren Augen und wußte, daß er jetzt auf dem richtigen Weg war. Sie hatte darüber nachgedacht, stellte er fest. Irgendwo im Unter bewußtsein weiß sie, daß dieser fette glatzköpfige Mann in dem anderen Zimmer nicht ihr Vater ist.
»Ich bin wie der König in diesem Buch«, sagte er. »Ich bin mächtig und reich. Bevor du geboren wurdest, war ich gezwungen, von hier zu fliehen, sonst hätte ich ermordet wer den können. Für mich ist es hier noch immer gefährlich, aber wegen dir bin ich zurückgekommen. Noch brauchst du nichts zu tun. Laß mich dir nur helfen. Ich werde kommen und dich bei Nacht in deinen Träumen besuchen, so wie heute nacht. Manchmal werde ich diesen speziellen Wein für dich mitbrin gen, damit du davon trinkst, wie ich es schon im Kranken haus gemacht habe. Schon bald werde ich dir erklären, was es mit diesem Wein auf sich hat. Ich werde dir alles erklären, und wenn du dich dazu bereit fühlst, kannst du dich entscheiden. Du bist eine Prinzessin, Jenny. Wenn du dich mit mir zusammentust, dann wird es nichts mehr geben, was du nicht haben kannst - Diamanten, Geld, ein schönes eigenes Haus. Nie wieder wirst du krank sein oder Angst haben. Ich werde dich immer beschützen ...«
Jenny blickte ihn verwundert an, und dann überzog ein Schatten ihr Gesicht. »Ich träume, daß ich Menschen töte. Es ist sehr beängstigend.«
»Ich weiß«, sagte er, »aber deine Träume sind normal. Sie sind gut. Hab keine Angst vor ihnen. Schon bald werde ich dir zeigen, was sie bedeuten.«
»Da ist diese eine Person, die ich im Traum immer töte«, sagte sie. »Und ich möchte es auch tun.«
Wundervoll! dachte er. »Erzähl mir davon.«
Sie zögerte.
»Jenny, du kannst mir alles sagen. In meinen Augen kannst du niemals schlecht sein. Bitte erzähl mir.«
Sie blickte auf ihre Hände hinunter. »Als ich in dem Hospi tal war, träumte ich, daß dieser Mann in mein Zimmer käme und ... mich berührte. Er sagte mir, er werde mich töten, wenn ich es irgend jemandem erzähle. Ich träume, daß ich ihn töte. Und es ... macht mir Spaß.«
Zane spürte etwas wie eine Vorwarnung. »Beschreibe die sen Mann.«
»Er war in Weiß gekleidet. Er war ziemlich groß und hatte kurzes Haar. Er hatte so eine lustige Jacke an mit Stoffstreifen hier herunter, wie mein Zahnarzt.«
Zane war schockiert, als er begriff, daß sie den Normalen beschrieb, der früh an jenem Morgen vor ein paar Tagen in ihr Zimmer kommen wollte. Es war kein Traum. Das Schwein hatte sie angefaßt und sie dann bedroht! Rasende Wut loderte in Zane auf. Ein dreckiger Normaler, der sich seine großartige Tochter als Beute ausgesucht hatte. Du bist ein toter Mann, dachte er. Du wirst schon noch herausfinden, wie >hilflos< meine Tochter ist, sobald ich sie nur bereitmachen kann.
Er nahm Jennys Hände. »Du wirst jetzt sehr stark und wundervoll werden. Nie wieder wird jemand in der Lage sein, dir weh zu tun. Ich werde dir helfen, den Mann in dei nem Traum zu bestrafen. Du mußt mir nur vertrauen ...«
Er spürte, wie sie erwachte. Besorgt intensivierte er seinen >Einfluß<, und eine Sekunde lang verengten sich ihre Venen, um sich dann wieder zu erweitern. Kalter Alarm durchraste ihn. War sie schon so stark? Nein, das konnte nicht sein. Aber es war so - er hatte jetzt echte Schwierigkeiten, sie in ihrem hypnotischen Zustand zu halten, und wenn sie voll erwachte, wäre sie mit Sicherheit entsetzt. Raus hier!
Er sprang zu ihrem Fenster und hechtete hinaus. Unten landete er auf dem Gras. Als er zurückblickte, sah er Jenny am Fenster, die Augen
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