Sohn Der Nacht
still
liegen und stellte sich auf den Blutfluß seiner Tochter ein. Sie war wach, das spürte er genau. Dir Pulsschlag hatte den schnellen, flatternden Rhythmus der Angst. Obwohl er sehr leise gewesen war, mußte sie ihn gehört haben. Dieser weitere Beweis dafür, daß ihre Instinkte sich schärften, befriedigte ihn mir um so mehr.
Er griff mental in das reiche Flechtwerk der Blutgefäße in ihrem Stammhirn ein und beruhigte sie, indem er Blut ablei tete, bis sie in eine schlaf ähnliche Benommenheit hinüberge driftet war. Währenddessen kroch er quer über das Dach zu einer Stelle über ihrem Fenster. Er schob die Beine über die Dachkante, ließ sich hinuntergleiten, faßte nach der Fenster bank und zog sich hinauf, so daß er endlich hineinblicken konnte. Sie lag auf dem Bett, ihm zugewandt, die Augen halb geschlossen. Eine Sekunde lang öffneten sie sich weit, als sie ihn sah, aber er justierte ihren Blutstrom, und die Panik ver schwand von ihrem Gesicht. Mit Ungewissem Interesse blickte sie auf ihn. Mit einer Hand hielt er sich am Sims fest, mit der anderen schob er ihr Fenster in die Höhe und schlüpfte hinein.
Jenny setzte sich schwerfällig auf und ließ ihre Beine über die Kante ihres hohen Bettes baumeln. »Detective Chapman«, sagte sie schläfrig, »was tun Sie hier?«
Zane hatte Mühe, seine Verwirrung zu verbergen. Er sah aus wie Vater, den Jenny viele Male gesehen haben mußte, als er überprüfte, ob sie auch wirklich im Sterben lag.
»Ich bin nicht Detective Chapman, Jenny, meine Liebe«, sagte er. »Aber ich kenne ihn.« Liebevoll nahm er ihre Hände. Er hätte sie so gern in die Arme genommen, aber sie war jetzt genau auf dem Bewußtseinslevel, den er brauchte. Zu viel körperliche Stimulation könnte sie aufwecken.
Außerdem durfte er emotional nicht zu weit gehen.
»Wer sind Sie?« murmelte Jenny und blickte ihn schläfrig an.
»Ich bin jemand wie du. Ich verstehe alles, was du durch gemacht hast.«
»Sie hatten auch Leukämie?«
»Nicht gerade Leukämie, sondern eine spezielle Form davon, die du auch hattest. Ich war die ganze Zeit hungrig, und niemand konnte mir helfen. Dann aber konnte es jemand, und mir ging es sehr schnell wieder besser, genau wie dir auch.«
Jenny lächelte. »Ist das der Grund, warum Sie immer gekommen sind, um mich zu besuchen?«
»Ich bin nicht...« Zane unterdrückte seine Verärgerung ein zweites Mal. »Jenny, ich bin nicht Detective Chapman. Ich sehe ihm nur ähnlich, weil er und ich miteinander verwandt sind. Und du bist mit mir verwandt.«
Ihr Unterkiefer fiel herunter. »Ich bin -?«
»Ja.«
»Sind Sie mein Onkel?«
Ein nicht zu beherrschender Impuls überkam Zane. »Ich bin dein Vater.« Auf der Stelle sah er, daß er einen Fehler gemacht hatte.
Jennys Brauen zogen sich zusammen. »Nein, mein Vater ist da drin.« Sie deutete auf das Schlafzimmer ihrer Eltern. »Warum belügen Sie mich?«
Da er spürte, wie ihr Blut schneller zu fließen begann, drückte er sie nieder - zu hart, so daß er sie auffangen mußte, als sie vornüber zusammensackte. Nervös geworden, setzte er sich zu ihr und brachte sie langsam wieder zurück in jenen halb wachen, halb träumenden Zustand, der für seine Absich ten am besten war. Ihre Augen öffneten sich, und sie blickte ihn mit verhaltenem Mißtrauen an. Er dachte verzweifelt nach. Er durfte nicht noch einmal aus dem Tritt geraten, oder die Gelegenheit heute nacht würde dahin sein. Er konnte den Level ihrer Auffassungsgabe und ihres Bewußtseins indirekt durch ihren Blutstrom beeinflussen. Auf diese Weise konnte er einen Adrenalinstoß dämpfen, aber ihre Gedanken und Überzeugungen lagen jenseits seiner Einflußmöglichkeiten. Wenn sie zu der Überzeugung gelangte, er sei gefährlich, dann könnte diese Überzeugung auch am Morgen noch in ihr
festsitzen, wenn sie erwachte und dachte, das alles sei nur ein böser Traum gewesen.
Wie kann ich sie erreichen?
Auf der Suche nach Inspiration blickte er sich in ihrem Zimmer um und fand sie auf ihrem Bücherbord. »Du hast aber eine Menge Bücher.«
»Ich lese gern.«
Er holte das abgegriffene Buch hervor, das er beim letzten Mal gesehen hatte. Auf dem Einband war ein pompös ausse hender König zu sehen, der die Hand eines jungen Mädchens hielt, das wie eine Prinzessin gekleidet war. Er hielt ihr das Buch entgegen. »Erinnerst du dich an diese Geschichte?«
Ihr Gesichtsausdruck entspannte sich. »Sicher. Es ist meine Lieblingsgeschichte.«
»Das habe ich mir
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