Sohn Der Nacht
herausfinden, wie du die Medi zin bekommen kannst, ohne irgend jemandem damit weh zu tun. Du brauchst nicht allein zu sein. Ich weiß, daß du es schaffen kannst.«
Von der Schule her erklang eine Glocke. Jenny wandte sich mit einem sehnsüchtigen Blick der Schule zu. Er sah ihre Freundinnen, wie sie auf sie warteten. Er wünschte sich ver zweifelt, sie zu umarmen, aber dann hätte sie ihren Freundin nen oder einem Lehrer, der vielleicht zuschaute, zu vieles zu erzählen. »Am besten gehst du jetzt«, sagte er. »Du willst sicher nicht die letzte im Unterricht sein.«
Sie rannte los, um die anderen Kinder einzuholen, und drehte sich noch einmal um, um ihm zu winken, und Merrick
ließ es zu, daß sich seine Augen mit Tränen füllten. Er hatte Angst, daß er Jenny vielleicht nie wiedersehen könnte.
Sandeman schien auf seinem Bett zu schlafen. Blut tropfte aus beiden Nasenlöchern. Merrick sank das Herz. Liebevoll wischte er das Blut mit seinem Taschentuch weg. Bei seiner Berührung öffnete sich eines von Sandemans Augenlidern, das andere zitterte und hob sich unter sichtbarer Anstren gung ebenfalls. Einen Augenblick lang konnte er seine Augen nicht ausrichten, dann blickte er Merrick an, ohne ein Wort zu sagen. Jeder Gedanke daran, um Hilfe zu bitten, schwand dahin, als Merrick in das bleiche, skelettierte Gesicht blickte. Er wußte mit schrecklicher Gewißheit, daß sein alter Freund eine unsichtbare Linie überschritten hatte und jetzt mehr tot als lebendig war.
»Ich würde mich so gern setzen«, flüsterte Sandeman.
Vorsichtig faßte Merrick die bis auf die Knochen abgema gerten Arme und setzte Sandeman inmitten all seiner Bücher auf dem Bett auf. Er war so leicht wie eine Spelze. Sandemans erbärmlicher Zustand schnitt Merrick ins Herz. »Laß mich dir Blut bringen.« Die Worte sprangen ihm aus dem Mund, bevor er sie zurückhalten konnte.
»Nyet!« zischte Sandeman.
Merrick drückte seine Schulter.
»Hast du Zane gefangen?« fragte Sandeman.
»Nein.«
Sandeman betrachtete ihn aufmerksam. »Bist du denn sicher, daß du das willst?«
»Es zu wollen, hat nichts damit zu tun. In den letzten fünf Jahrhunderten habe ich Hunderte meiner eigenen Art vergra ben. Wenn ich vor Zane zurückschrecken würde, weil er mein Sohn ist, würde ihr Blut zu mir aufschreien.«
»Warum hast du ihn dann noch nicht gefangen?«
»Du hattest recht mit dem, was du über ihn gesagt hast«, sagte Merrick. »Er ist mächtiger als ich.«
Sandeman schloß eine Sekunde lang die Augen und nickte. Er war eindeutig nicht überrascht. »Wenn Zane stärker ist warum hat er dich dann noch nicht gefangen?«
»Weil er beschäftigt ist.« Merrick erzählte Sandeman von Zane und Jenny.
Sandeman grinste, und sein Gesicht schien für einen Augenblick die geisterhafte Blässe zu verlieren. »Du hast eine Enkelin! Meinen Glückwunsch!«
Auch Merrick lächelte, gerührt über Sandemans Freude für ihn. »Sie ist wundervoll. Ich habe schreckliche Angst um sie.«
Sandeman nickte schwach. »Und um dich selbst.«
»Ich kann ertragen, was immer auf mich zukommt.«
»Abgesehen von der schlimmsten Tragödie deines Lebens,, die sich jetzt wiederholt. Einst hast du Zane genauso geliebt, wie du heute deine Enkelin liebst.«
Merrick schüttelte den Kopf, er wollte antworten, aber er konnte es nicht. Schreckliche Trauer stieg in ihm auf und ließ ihn verstummen. Er beugte den Kopf vor und bedeckte das Gesicht mit einer Hand. Nach einer Minute spürte er Sande mans Hand auf seiner Schulter.
»Um wie vieles genau ist Zane denn stärker als du?« fragte Sandeman sanft.
»Du hattest recht - er hat einen Weg gefunden, den >Einfluß< bis jenseits des Stammhirns auszudehnen, direkt in die Gedanken hinein.« Merrick erzählte Sandeman, was Zane mit ihm in Jennys Krankenzimmer angestellt hatte, wie er dort gestanden hatte, in seine Erinnerungen verloren, verwund bar. »Wenn er mir das antun kann, wie kann ich ihn dann davon abhalten zu töten? Wie kann ich Katie retten, Gregory, meine Enkelin?«
Sandeman gab mit keinem Zeichen zu verstehen, daß er ihn hörte. Seine Augen hatten sich wieder geschlossen, und er schien zu schlafen. Während die Minuten verstrichen, spürte Merrick das Schweigen des Gewölbes rings um ihn, die Ton nen von Erde, die darauf drückten. »Ich habe Zane trotz alle dem geliebt«, sagte er.
»Ich weiß«, flüsterte Sandeman.
Merricks Gesicht brannte.
»Du wirst meine Hilfe brauchen.«
Merrick spürte eine Dankbarkeit, die
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