Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
Vom Netzwerk:
angsterfüllter Anstrengung, einer Jagd, die den Globus ein dutzend Male umspannt hatte, war am Ende durch ein einfa ches Drehen mit seinen Fingern entschieden worden.
    »Meine Tochter ...«
    Ein bloßes Murmeln, aber der Stahl war nicht dick genug, um es vor den Ohren eines Blutsaugers zu verbergen. Lag Trauer in Zanes Stimme? »Ich werde mich um sie kümmern«, sagte Merrick.
    »So wie du dich um mich gekümmert hast?«
    »Diesmal werde ich es besser machen.«
    »Sie braucht ihren Vater.«
    »Du bist derjenige, der sie braucht.«
    Auf der anderen Seite der Tür entstand ein langes Schweigen. »Ja«, flüsterte Zane.
    Merricks Augen schmerzten in heißem, tränenlosem Gram. Wenn er nur glauben könnte, daß Zane Jenny wirklich liebte, daß Jenny ihn verändern könnte ...
    Doch nein. Es war Zane, der Jenny ändern würde. Und wenn er das erlaubte, wäre er doppelt verdammt. »Ich werde sie solange wie nur möglich bei ihren Eltern lassen«, sagte Merrick. »Ich werde sie bei Nacht besuchen, wenn es nötig ist, und sie lehren, sich zu nähren, ohne zu töten.«
    »Was du sie lehren wirst, ist zu darben. Auszukommen ohne das, was sie mehr als alles andere auf der Welt begehrt, tausend Jahre hindurch zu dürsten. Wir brauchen nicht nur einfach Blut, Merrick, wir müssen töten. Ihre Träume, dieses Verlangen, wird sie niemals verlassen.«
    »Nein«, bestätigte Merrick. »Aber nichts kann sie zwingen, es auch zu tun. Wir können leben, ohne zu töten. Wir können lieben.«
    Auf der anderen Seite der Tür breitete sich Schweigen aus. Er begriff, daß es endlich nichts mehr zu sagen gab, und Merrick erhob sich auf die Füße. Er wandte sich um und überprüfte die Reihen der Lagerstätten, obwohl er wußte, daß es unnötig war. Er brachte niemals einen Sauger in den allgemeinen Bereich, bevor er nicht sicher war, daß seine Muskeln zu schwach geworden waren, um sich noch zu bewegen.
    Keine dieser ausgetrockneten Kreaturen konnte auch nur einen Finger heben, geschweige denn Zanes Zelle öffnen. Und da der Mechanismus des drehbaren Vorlegebolzens nicht bis auf die Innenseite der Tür durchging, konnte Zane das Schloß auch nicht sprengen, selbst wenn er das Werk zeug dafür gehabt hätte.
    »Auf Wiedersehen«, sagte Merrick durch die Tür.
    »Wirst du zurückkommen?«
    »Nein.«
    »Gut.«
    Trotzig bis zum Schluß. Ganz gegen seinen Willen spürte Merrick eine wilde, schmerzhafte Bewunderung für seinen Sohn.
    » Jenny wird dir niemals folgen.«
    Merrick wandte sich ein letztes Mal zurück zu der Tür.
    »Wenn es in dir auch nur ein wenig wirkliche Liebe für sie gibt«, sagte er, »mußt du hoffen, daß sie es tut.«
    Merrick wandte sich ab und ging wie benommen durch die Lager der Sauger zu Sandemans Zelle, wobei er diesmal kein Geräusch verursachte, als leite ihn eine dunkle innere Gnade. Sandeman lag auf dem Bett, die Augen geschlossen, ein Buch auf seiner Brust. Merrick rief seinen Namen. Sandeman bewegte sich nicht.
    Merrick schüttelte ihn zart, dann härter. Keine Antwort. Innerlich kalt und voller Vorahnung zog er eines von Sande mans Augenlidern zurück. Die Pupille verengte sich ganz leicht, bewegte sich aber nicht in seine Richtung. Schweigend stieg die Trauer in Merrick auf und mit ihr auch ein Gefühl der Erleichterung. Er kniete sich neben das Bett und nahm Sande mans skelettierte Hand. »Es ist vorüber. Habe ich es richtig gemacht?«
    Sandeman lag regungslos da.
    Wieder bemerkte Merrick das Buch auf seiner Brust. Es war von E. M. Forster - Zwei Hochrufe auf die Demokratie. Mer rick wollte es schließen, aber die knöcherne Hand widerstand ganz leicht; Merrick sah, daß einer von Sandemans Fingern in dem Buch steckte und eine Seite markierte. Vor sichtig, um die Seite nicht umzublättern, hob er das Buch von Sandemans Brust, und diesmal setzte die Hand ihm keinen Widerstand entgegen. Eine Passage auf dieser Seite war unterstrichen:
    Wenn ich die Wahl hätte, mein Land zu betrügen oder meinen Freund, dann hoffe ich, ich habe den Mut, mein Land zu betrügen. Eine zitternde Hand hatte das Wort > Freund < durchgestrichen und durch das Wort >Sohn< ersetzt.
    Merrick hob die Augen zur Decke von Sandemans Zelle. Mit wilder Anstrengung schluckte er ein Schluchzen hinun ter, weil er wußte, wenn er anfing zu weinen, würde er nicht mehr aufhören können. Vorsichtig öffnete er noch einmal eines von Sandemans Augenlidern. Diesmal konzentrierte sich die Pupille auf ihn.
    »Wir werden einander nicht wiedersehen«,

Weitere Kostenlose Bücher