Sohn Der Nacht
Jahren verübt hatte, bedeute ten nicht, daß er es diesmal wieder war. Es sei denn, er hätte ein vernünftiges Motiv, dachte Merrick - mein Leben zu zerstören. Ich war gerade erst zum Lieutenant der Abteilung für Morde in San Francisco geworden. Er wußte, daß ich den
Dienst quittieren mußte, um mich auf seine Fährte zu setzen, und nachdem ich das einmal getan hatte, ist er davongerannt. Dieser Killer versucht nicht, mich irgendwohin zu locken. Dies ist mein Turf, und er verspottet mich, und das ist nicht vernünftig. Es könnte sich um einen anderen Sauger handeln wie Jack the Ripper, noch immer jung genug, um Groll gegen sein Leben vor Eintritt der Veränderung zu hegen - und zu jung, um von Merrick, dem >Mörder<, gehört zu haben.
Aber ich überwache die Hospitäler. Es gibt gerade jetzt nur den einen neuen Sauger, ein kleines Mädchen, und das stirbt still und friedlich in seinem Bett...
Merrick hörte Schritte weiter unten im Flur. John Byner erschien in der Tür und wollte gerade anklopfen, ließ aber die Faust wieder sinken, als er merkte, daß Merrick ihn bereits ansah.
»Wir müssen miteinander reden«, sagte Byner.
Merrick hatte eine dunkle Vorahnung. »Ich freue mich immer, Sie zu sehen, Doktor. Wie geht's denn John junior?«
Byners besorgte Miene erhellte sich etwas. »Dem geht's großartig. Übrigens, er möchte wissen, ob er die Bücher etwas länger behalten kann. Den Chaucer hat er noch nicht ausgele sen, und den Dickens würde er gern noch einmal lesen, aber im Moment muß er zu viel für die Abschlußprüfungen ler nen.«
»Sagen Sie ihm, er kann sie behalten, so lange er will.«
»Vielen Dank.« Byner blickte Merrick an. »Sie haben einen guten Einfluß auf ihn.«
»Er hat einen guten Einfluß auf mich.«
Byner ging auf die Bücherwand zu. »Haben Sie die alle gelesen?« Er zog den dicken Band von Kraft-Ebbing heraus. »Psychopathia Sexualis. Ich habe dieses Ding seit der medizini schen Schule nicht mehr gesehen. Das leihen Sie ihm aber nicht aus, in Ordnung?«
Merrick lächelte.
Byner schob den Band zurück, stellte sich vor das Fenster und spielte nervös mit den Händen auf seinem Rücken.
»Nun kommen Sie schon, John. Was es auch sein mag, es kann nicht so schlimm sein.«
»Ich habe gerade Dr. O'Keefe im Hospital angerufen. Sie erwähnte, daß Sie auch mit Ihnen schon gesprochen hat.« Byner maß ihn mit einem langen Seitenblick. »Jetzt lachen Sie nicht. Aber dieser Mann, den Sie da jagen ... Ich fange an zu glauben, daß er ... vielleicht nicht ganz menschlich ist.«
Merrick spürte es kalt durch seine Venen rennen. Er hielt die Stimme unter Kontrolle. »Bestimmt hat Dr. O'Keefe Ihnen das nicht gesagt.«
»Nicht mit so vielen Worten, aber ...«
»Ich glaube, sie erwähnte eine mögliche Mutation durch Strahlung«, sagte Merrick, »in einem Gen, das die Blutcharak teristika des Killers bestimmt.«
»Mutation, zur Hölle. Verdammt noch mal, Merrick, sie hat gut hunderttausend Kilovolt auf diese Zellen losgelassen, und sie sind nicht verdorben. Wenn dieses Blut von einem Menschen stammt, dann habe ich nie jemanden wie ihn gese hen.«
»Was wollen Sie also sagen? Daß es sich um einen Vampir handelt?«
»Das ist nicht zum Lachen«, murmelte Byner.
»Ich lache nicht. Ich versuche nur, in jeder Hinsicht höflich zu sein.«
Byner stieß hörbar die Luft aus und ließ sich in den Stuhl vor dem Schreibtisch fallen.
»Der Killer hat ungewöhnliches Blut, das ist alles«, sagte
Merrick. »Zu gegebener Zeit werden wir wissen, warum. Wenn es sich nicht um eine Mutation durch Strahlung han delt, wird es bestimmt eine andere vernünftige Erklärung geben. Hören Sie, John, ich werde diesen mordenden Bastard fangen, und wenn ich das geschafft habe, ist das wenigste, das wir für die Strafverfolgungsbehörde - und vielleicht für das
ganze Verfahren - brauchen, ein medizinisches Gutachten, das uns von der Sensationspresse wegen des Blutes des Killers um die Ohren gehauen wird.«
»Wir könnten ein paar Leute von der Staatlichen Gesundheitsbehörde zuziehen und sie zur Geheimhaltung verpflich ten.«
Merricks Magen fühlte sich plötzlich leer an. »Kommen Sie schon, John. Wir leben in einer Stadt, in der beschworene Geheimhaltung jeden Tag durchlöchert wird. Jede Person, die wir hinzuziehen, erhöht dieses Risiko. Dr. O'Keefe ist so klug, wie man sich das nur wünschen kann. Geben Sie ihr eine Chance.«
Byner bedachte ihn mit einem abschätzigen Blick. »Ist da etwas zwischen
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