Sohn Der Nacht
sie wehrte seine Hand ab. Langsam und genüßlich streifte sie ihm das Präservativ über, wobei sie ihn auf eine Art streichelte, die ganze Wellen von Lust durch ihn sandten. Früher hatte sie ihm das Kondom immer nur gege ben und zur Seite geschaut, während er es anlegte. Versuchte sie etwa, ihm zu sagen, es könne anders sein, wenn sie es noch einmal miteinander versuchten?
Wir können es nicht, Katie.
Ich sollte jetzt damit aufhören, dachte er, aber ich kann nicht.
Sie schob sich wieder über ihn, beugte sich nach vorn und drückte ihre Brustwarzen fest gegen seine Brust. Er hätte noch im selben Augenblick kommen können, aber er hielt sich selbst vom Höhepunkt zurück, während sie sich langsam über ihm bewegte.
»Ah!« japste Merrick.
»Wir drehen die Zeit zurück«, flüsterte sie, »und wir sind verliebt. Nur heute nacht, nur heute nacht.«
»Ich liebe dich, Katie.«
Tränen schossen ihr in die Augen, aber sie hob über ihm den Kopf zurück, und ihre Zähne schimmerten im weichen Licht. Das Haar schwang um ihre Schultern, als sie leise zu stöhnen begann. Als er merkte, daß sie kam, ließ er seiner Lust freien Lauf, während sie spitze Schreie ausstieß.
Sie fiel über ihm zusammen, umschlang seine Schultern und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. Trotz der Feuchtigkeit
in ihrem Gesicht war es ein so wunderschönes Gefühl, sie
wieder zu berühren. Er hielt sie ganz fest umschlungen, bis sie
m it einem Seufzer zur Seite rollte.
»Mir ist so warm«, sagte sie. »Und du brennst wie ein Schmelzofen.«
»Cops essen viel Chili und Pfeffer«, sagte er.
»Ich glaube nicht, daß es das ist.«
»Was glaubst du denn, was es ist?«
»Ich glaube, wir haben jetzt 1992 und du liebst mich.« Er lächelte. »Du hast recht.«
Als sie neben ihm lag und ihm in die Augen blickte, hatte
er das Gefühl, über eine Klippe in einen Abgrund hinabzu gleiten. Verzweiflung überkam ihn. O ja, ich liebe dich, und ich liebe meinen Sohn so sehr, aber wir haben 1995 und ich kann dich nicht haben und du kannst mich nicht haben, weil
ich bin, was ich bin.
Sie barg den Kopf an seiner Schulter. Nach wenigen Minu ten hörte er, wie ihr Atem ruhiger ging. Er spürte ein machtv olles Verlangen danach, ehrlich mit ihr zu sein, sie jetzt zu wecken und ihr alles zu erzählen, sie verstehen zu lassen, warum sie und Gregory niemals eine Familie sein konnten. Was aber konnte er sagen? Daß er schon zu viele Kinder gezeugt hatte, während sein Körper jung blieb, ihrer dagegen alterte, bis er gezwungen war, sie zu verlassen oder demas kiert zu werden? Daß er zu viele seiner Lieben hatte alt wer den und sterben sehen und daß der Schmerz jedesmal schlim mer geworden war?
Er erinnerte sich an Alexandra und den jungen George, das Haus am Meer außerhalb von San Francisco. An jenen milden Sommermorgen mit dem Geruch von Hyazinthen in der Luft. Es war nur wenige Monate her, daß er sein Boot zum Kentern gebracht hatte, um es so aussehen zu lassen, als sei er ertrun ken: Alexandra und George saßen am Küchentisch, vor ihnen das nicht angerührte Frühstück. Er stand draußen auf dem Paitio und beobachtete sie durch die Fensterscheibe. Wie sehr es ihn danach verlangt hatte, sich ihnen zu zeigen! Er hörte z u, als sie voller Liebe und Traurigkeit über ihn sprachen. Alexandra fing an zu weinen. George hielt seine Mutter und versuchte tapfer zu sein. Dann hatte Merrick selbst angefan gen zu weinen, und schließlich war er panikartig geflohen ...
Katie riß ihn mit einem Kuß aus der schmerzlichen Erinne rung, und er merkte, daß sie noch nicht richtig geschlafen hatte.
»Woran denkst du?« fragte sie.
»Ans Frühstück.«
Sie lachte und piekste ihn in den Magen, dann wandte sie ihm den Rücken zu und kuschelte sich in die vertraute Stel lung. Wieder döste sie ein. Es mußte schön sein, mit ihr gemeinsam in den Schlaf zu versinken, aber er war durch das Blut des Hotelmanagers noch immer zu stark, um zu schlafen. Ihm genügte es, sie zu halten und ihren Schlaf zu bewachen wie die Kuscheltiere den Schlaf Gregorys bewachten. Wäh rend er ihre Schulter streichelte, wollte die Zärtlichkeit für sie ihn schier überwältigen. Der Gedanke, ihr alles zu erzählen, blieb. Vielleicht würde ihre beider Liebe sie durch den Schock und den Horror hindurchtragen. Und was dann?
Innerhalb eines Jahres müßten sie umziehen. Als Zane ihn vor zwölf Jahren mit den Morden hierhergelockt hatte, war ihm keine Zeit geblieben, sich wie sonst
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