Sohn Der Nacht
Holzschuppen, wo die Fischgroßhänd ler in ein paar Stunden öffnen würden. So früh waren die Docks noch verlassen. Zane zerrte den Vergewaltiger zu dem schmalen Küstenstreifen unter die Pier, wo niemand ihn sehen konnte, der zufällig vorbeikam. Die Luft stank nach verdorbenem Fisch, den die Leute unter die Pier geworfen hatten. Zane lehnte den bewußtlosen Mann gegen einen der hölzernen Stützpfeiler und holte eine der Transfusions packungen aus der Tasche. Er rammte die Nadel in den Hals, aber da seine Finger zitterten, verfehlte er die Vene. Mit einem leisen Fluch verengte er eine Drosselvene an der Basis des Nackens, bis sich der Blutdruck erhöhte und die Vene schwel len ließ. Diesmal schlüpfte die Nadel ganz leicht hinein. Als das dunkelrote Blut durch den Schlauch in die Packung lief, schlug Zanes Kopf in einer plötzlichen Aufwallung von Mordlust nach vorn. Er berührte mit den Zähnen den Nacken des Mannes ...
Nein, JENNY! Denk an Jenny.
Zane rollte sich zur Seite weg, wandte das Gesicht von dem Mann ab und kämpfte um seine Selbstbeherrschung. Er durfte ihm die Kehle nicht aufreißen. Nicht, bis er genug Blut für Jenny hatte.
Er wartete, so lange er konnte. Die Nadel war immer noch an ihrem Platz. Der Beutel lag prall gefüllt im Schoß des Man nes. Zane präparierte einen weiteren Beutel. Nachdem er die Spitze der Nadel auf die Vene konzentriert hatte, blickte er diesmal weg, als er sie einführte. Und doch konnte er das Fleisch des Mannes fast körperlich an seinen Zähnen spüren. Er schluckte schwer in dem Versuch, den Schrei in seiner Kehle zu unterdrücken. Nur ein wenig länger noch, ein wenig länger...
Er riß die Nadel heraus und stürzte sich auf den Körper. Undeutlich hörte er, wie der Kopf des Mannes gegen den Pfo sten krachte, und dann brachen seine Zähne die Haut auf, und der warme Strom des Blutes ergoß sich in seine Kehle. Einmal bäumte sich der Körper unter ihm auf. Er trank, bis das Herz zu schlagen aufgehört hatte, dann saugte er an der zerfransten Wunde, die seine Zähne gerissen hatten. Schließ lich setzte er sich befriedigt zurück.
Der tote Vergewaltiger starrte ihn aus trüben, anklagenden Augen an.
»Sadist«, murmelte Zane. »Du hast bekommen, was du verdient hast.« Er wandte sich von der Leiche ab und wusch sich in dem Wasser des Potomac. Er warf das blutige Hemd ins Wasser und sah zu, wie es langsam versank. Als er sich erhob, um wieder zu gehen, stellte er fest, daß er noch nicht fertig war. Auch dieser Mord mußte sich gegen Vater richten. So weit hier draußen versteckt, könnte der Leichnam vielleicht tagelang nicht entdeckt werden, vor allem, wenn der Gestank des verfaulenden Fischs den Geruch überdeckte ...
Plötzlich wurde Zane klar, daß eine verzögerte Ent deckung genau das war, was er wollte. Das würde es ihm er möglichen, die Entdeckung zu steuern und sie in dem für Vater ungünstigsten Augenblick geschehen zu lassen. Er klemmte die Leiche in die dunkle Spalte, wo das ansteigende Ufer gegen die Unterseite des Piers stieß. Hier würde sie nie mand sehen. Dann schob er sich die prallen Blutbehälter in die Jacke, kroch unter dem Pier hervor und ging die Uferböschung hinauf zu seinem Wagen.
Als er zum Hospital fuhr, fühlte er sich unwohl, ein wenig deprimiert. Seine Gedanken gingen zurück zu der Art und Weise, wie er die Frau hatte gehenlassen. Sie war perfekt gewesen, genau die Art von Frau, nach der ihn gelüstete, aber heute hatte er absolut keinen Appetit auf sie gehabt. Was, wenn sich das fortsetzte, wenn es jedesmal wieder passierte, sobald er ein Opfer ausgemacht hatte? Der Gedanke belastete Zane. Das Töten war der reinste aller Nervenkitzel. Es bedeu tete die Höhepunkte in seinem Leben. Wenn er nun perma nent dieses Auflodern der Verzückung einbüßen sollte,
wodurch sollte es wohl ersetzt werden? Er hätte alles verlo ren, was seinem Leben Bedeutung gab.
Er würde werden wie sein Vater.
Zane schauderte. Wenn er wie Vater würde, dann hätte die ser gewonnen, hätte bekommen, was er von allem Anfang an haben wollte. Sei so wie ich, oder ich werde dich töten. Hatte Vater je begriffen, was er verlangte? Merrick, schon ein Puritaner, bevor es Puritaner gegeben hatte. In früheren Jahrhunderten hatte eine Wunde, die genügend Blut hergab, um einen Sau ger zu nähren, immer weitergeblutet, bis das Opfer starb, und mithin war auch Vater viele Male ein Mörder gewesen. Jedes mal hatte er dabei ohne Zweifel in Schuldgefühlen
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