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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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trotz allem lächeln. Cleverer Teufel.
    Er setzte den Koffer ab. Die Kette und ein Hammer mit kur zem Stiel, eingewickelt in Lagen von Packpapier, verursach ten kein Geräusch. Er ging den Weg, den er durch den langen, stillen Flur gekommen war, bis zu der offenen Tür zurück, an der er vorbeigekommen war: Die Putzfrau war noch immer im Badezimmer auf den Knien und reinigte die Wanne. Der Anhänger des Generalschlüssels lugte aus einer ausgebeulten Tasche in ihrer Schürze. Die Gefahr war nicht, daß sie ihn sah, sondern daß sie ihn hören könnte oder fühlen würde, wenn er ihr den Schlüssel abnahm.
    Sie merkte nichts.
    Als Merrick mit dem Schlüssel zurückkehrte, lief die Putz frau im Schlafzimmer hin und her und klopfte sich auf die Schürzentaschen, wobei sie besorgt dreinblickte. Still und leise legte er den Schlüssel auf den Fußboden im Badezimmer und eilte zurück zu Zanes Suite. Er zog den Koffer aus dem Türrahmen und betrat die Suite, wo er einen Augenblick ste henblieb, von unheimlicher Spannung erfaßt. Er hatte es getan, war in Zanes Unterschlupf eingedrungen. Zane würde mindestens zwanzig Sekunden vom Läuten des Aufzugs bis hierher brauchen - eine ausreichende Warnung. Die Tür zur Treppenflucht war fast genauso weit entfernt, und ihr Ächzen war lauter als die Glocke des Aufzuges.
    Merrick brachte den Koffer hinter einer Ecke an der Tür in Stellung. Er hob den Deckel, entfernte das Packpapier, um Hammer, Kette und Schloß freizulegen. Jedesmal, wenn er den Aufzug oder die Tür zur Treppe hörte, würde er jetzt hier Position beziehen. Sobald Zane um die Ecke kam, würde er gleichzeitig mit dem Hammer und seinem >Einfluß< zuschla gen. Alles was ich brauche, dachte Merrick, ist, ihn einige
    wenige Sekunden zu verwirren - lange genug, um ihm die Kette anzulegen. Dann trage ich ihn über die rückwärtige Feuertreppe hinunter und fahre ihn zum Gewölbe, und alles ist vorüber.
    Unterschätze ihn nicht. Bei der Erinnerung an Sandemans Warnung spürte Merrick eine starke Vorahnung. Was, wenn Zane in Gedanken eindringen konnte?
    Was, wenn er stärker ist als ich?
    Dann wird er mich vergraben.
    Merrick versuchte, seine Furcht zu verdrängen. Was er brauchte, war Wut, Raserei. Zane hatte Tausende von Men schen getötet. Er war ein niederträchtiger Mörder ...
    Mein Sohn.
    Merrick zwang sich, das schreckliche Bild Sheila Forresters ins Gedächtnis zurückzurufen, wie sie blutüberströmt unter den Büschen gelegen hatte ...
    Die Glocke des Aufzugs erklang. Als er sich in Position begab, schien die Luft um ihn herum dicker zu werden und an seinen Beinen zu ziehen. Den Hammer aus dem Koffer zu heben erforderte seine ganze Willenskraft. Eine Tür öffnete und schloß sich wieder am Ende des Flures, und er spürte Erleichterung.
    Noch einmal davongekommen! Er wanderte in der Suite auf und ab, zu aufgeregt, um stillzustehen. Es war eine schöne Behausung, Perserteppiche und poliertes Parkett, Stühle im Stil Ludwigs des XIV. und hohe Fenster mit Samtvorhängen. Sandeman hatte recht gehabt mit Zanes Vorliebe für Luxus. Im Abfallkorb des Badezimmers fand Merrick ein paar leere Päckchen, die ein braunes Haarfärbemittel enthalten hatten - ganz offenbar war Zane es leid gewesen, mit weißem Haar herumzulaufen. Ein elektrischer Rasierer, eine Zahnbürste und Zahnpasta lagen auf der marmornen Ablage.
    In dem geräumigen Schlafzimmer der Suite fiel Merrick das Messingkopfteil des großen Bettes ins Auge. Es schien an mehreren Stellen leicht verbeult. Als er das Metall näher untersuchte, sah er, daß das schwere Kopfteil verbogen und
    dann nur unvollkommen wieder gerichtet worden war. Wut? Qual? War Zane der Qual fähig?
    Merrick ging zu dem schönen Mahagonischreibtisch im Wohnzimmer. Als er die oberste Schublade aufzog, fand er ein Skizzenbuch. Keine sonderliche Überraschung - in ihrem lan gen Leben versuchten die meisten Sauger sich früher oder später in den Künsten. Er hatte es selbst getan.
    Als er das Notizbuch öffnete, war er überrascht über das, was Zane gezeichnet hatte - das Gesicht einer Frau, und zwar sehr schön. Er ist besser, als ich je war, dachte Merrick mit selt samem, ungutem Stolz. Die nächsten drei Seiten zeigten drei weitere Frauengesichter. Keine heraushängenden Zungen, keine zerrissenen Kehlen; sie alle waren gemalt worden, als sie mitten im Leben standen.
    Auf der nächsten Seite hielt Merrick kurz inne. Sie zeigte ein hübsches, ovales Gesicht, das von straffem, hellem Haar

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