Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)
elegante Frau mit feingeschnittenen Zügen. Ihre Haut war glatt wie Alabaster, ihr Make-up perfekt aufgetragen. Ihr schulterlanges, glänzendes kastanienbraunes Haar war zu einem Knoten aufgesteckt. Sie trug ein glatt herabfallendes Kleid aus heller apricotfarbener Seide, das oberhalb ihrer schlanken Fußknöchel endete, und dazu ein Paar ebenfalls apricotfarbener Pantoletten. Alles an ihr war perfekt. Lilian De Vere drehte sich um, und ihre Augen begannen sogleich zu leuchten, als sie James erblickte. Mit wenigen Schritten war sie bei ihm. Die beiden fielen sich in die Arme. Er schloss die Augen und vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge. Einen Augenblick lang boten die zwei ein Bild des Friedens.
Dann hob er langsam den Kopf, löste seine Arme von ihren Hüften und trat ans Fenster. Über dem Atlantik ballten sich in der Ferne dunkle Gewitterwolken zusammen.
Lilian studierte sein Gesicht.
»Man hat dich einbestellt?« Sie ging zu ihm hinüber und legte ihm die Hand auf den Rücken. »Das Komitee der Dreihundert?«
James schüttelte den Kopf. »Nein.« Er wandte sich zu ihr um; sein Gesicht war aschfahl. »Mein eigener Vater hat mich herbeizitiert. Nach San Francisco. Vor den Großen Druidenrat.«
»Julius.« Lilians Hand zuckte von James zurück, als habe sie sich verbrannt. »Die Hohen Hexenpriester«, flüsterte sie. »Der Rat ist einmal zu uns ins Haus gekommen. An Allerheiligen. Man hat in der Kapelle meines Vaters eine schwarze Messe abgehalten.« Sie ging hinüber zur Bar und schenkte sich einen Martini ein. Ihre Hände zitterten. »Sie haben damals ein Kind geopfert, um meinetwillen. Was wollen sie diesmal?«
James holte tief Luft. »Wir reisen in fünf Wochen nach London.«
»London …«
James streckte den Arm aus, um Lilian an der Schulter zu fassen, doch sie wich an die Bar zurück.
»Du hast gesagt, du würdest ihnen beim nächsten Mal nicht gehorchen – so wie wir es besprochen haben«, hielt sie ihm vor. Ihre Stimme war gefährlich sanft, gefühlsgeladen, aber beherrscht. Mit dem Glas in der Hand ging sie zu den Terrassenfenstern hinüber und starrte hinaus auf den englischen Rasen, dann wandte sie sich zu ihm um. »Du hast es nicht fertiggebracht, nicht wahr?«
James nickte; er wirkte jetzt noch erschöpfter als zuvor. »Bei unserer Heirat hast du gewusst, dass es irgendwann einmal … Forderungen geben würde. Dinge, die man uns aufzwingen würde.«
»Wir haben gesagt, wir würden uns weigern.« Lilian starrte ihn an; eine verstörende Wildheit lag in ihrem Blick.
»Sie haben sehr klar zum Ausdruck gebracht, was geschehen wird, wenn wir uns weigern«, sagte er hart. »Sie werden uns umbringen, Lilian.« Er zögerte. »Sie werden die Kinder töten.«
»Die Kinder …«, flüsterte Lilian entsetzt. Eine einzelne Träne lief ihr über die Wange. »Sie werden sie töten, wie sie meinen Vater getötet haben.« Ihre schmalen Schultern bebten vor Zorn.
Schließlich hob sie den Kopf. Ihre sanften grauen Augen waren plötzlich wie Eis. »Meine ganze Kindheit stand unter ihrer ›Lenkung‹ … Kindesopfer, Gedankenkontrolle, der Selbstmord meines Vaters … Und sie haben es gelenkt, genau wie sie dich gelenkt haben. Wir müssen einen Ausweg finden.«
James trat zu ihr. Sein Gesicht war aschfahl, seine Hände zitterten.
»Es gibt keinen Ausweg, Lilian.« James’ Stimme war ungewöhnlich harsch. »Du hast es gewusst, als wir heirateten. Du wusstest, dass ich einer der dreizehn Illuminati-Dynastien entstamme. Du wusstest um den hohen Preis, den wir zahlen würden.«
Sie wand sich. »Wir, ja, aber nicht unsere Kinder …«, entgegnete sie schluchzend.
James nahm ihr Gesicht in die Hände. »Hör mir zu«, sagte er mit einer Stimme hart wie Stahl. »Ich habe ihr Wort. Wenn wir ihre Forderungen erfüllen – alle ihre Forderungen –, werden sie unsere Söhne nicht anrühren. Wenn wir ihren Willen tun, in jeder Hinsicht, werden die drei frei sein, ein normales Leben zu führen. Frei von den Hexerzirkeln und den verruchten magischen Ritualen. Frei von Dingen, über die zu reden die Zunge sich sträubt.«
Lilian starrte James an, ihr Atem ging flach.
Gnadenlos fuhr er fort: »Wir opfern unsere Freiheit, damit unsere Söhne frei von Schuld leben können. Frei von ihren Klauen.«
Das Martiniglas entglitt Lilians Fingern und zerschellte auf dem Boden.
Es klopfte zaghaft an der Tür zum Salon. Ein zartes Mädchen, das ein schwarzes Dienstbotenkleid und eine gestärkte weiße Schürze trug, kam
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