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Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)

Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)

Titel: Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Alec
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Stille. Keine Alarmsirenen, keine herbeieilenden Stiefelschritte, nichts.
    Nick stand eine Minute lang wie erstarrt da. Dann setzte er sich vorsichtig wieder in Bewegung und trat auf die Glasglocke mit dem Kreuz auf seinem blauen Samtkissen zu.
    Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. Er war wirklich ganz allein hier.
    Jetzt oder nie.
    Alle Vorsicht über Bord werfend, fasste er die gläserne Glocke mit beiden Händen und hob sie hoch.
    Er hielt den Atem an.
    Nichts geschah.
    Kein Alarm wurde ausgelöst.
    Er konnte es kaum glauben. Irgendjemand musste alle Alarmanlagen ausgeschaltet, alle Infrarot- und Ultraschallsensoren deaktiviert haben.
    Behutsam nahm er das Kreuz von dem Samtkissen.
    Jotapa hatte gesagt, dass eine seltsame Kraft darin liege. Eine Kraft zu heilen. Wie im Wasser von Lourdes, nur weit stärker.
    Er umklammerte das Kreuz fest mit beiden Händen und wartete.
    Er spürte nichts. Er öffnete die Hände wieder und drehte das Kreuz um.
    Es war nur ein Stück altes Holz, nicht mehr. Genau wie er es eigentlich von Anfang an hätte wissen sollen.
    Alles nur eine Legende. Eine Farce. Nick starrte auf das einfache hölzerne Schnitzwerk und verzog verächtlich die Lippen, als ein plötzlicher, unerklärlicher Zorn ihn erfüllte.
    Er taumelte. Erneut überkam ihn ein heftiger Hustenanfall und schüttelte ihn wie einen Hund. Er fühlte sich schwach wie nie in seinem Leben.
    »Der Ort, wo du stehst, ist heiliges Land, Nicholas De Vere.«
    Nick erstarrte. Er wandte sich nicht um, obschon die Stimme hinter ihm zu hören gewesen war. Aber wie konnte das möglich sein? Die Stahltür hatte sich vorhin deutlich vernehmbar geschlossen und war danach nicht wieder geöffnet worden.
    Wer es auch sein mochte, er kannte offenbar seinen Namen.
    »Die Legende erzählt, dass der Herr selbst einst dieses Kreuz schnitzte, als Er noch ein Kind war …«
    Langsam drehte Nick sich um.
    Der Fremde hob die Hand. Seine Züge waren unter der Kapuze eines Mönchsgewands verborgen.
    »Genau hier an dieser Stelle«, sagte der Fremde leise. »Hier sang Er Seinem Vater im Himmel Lieder … mit der Stimme eines Kindes.«
    Mit sanfter Geste streckte der hochgewachsene Fremde die Hand aus. »Die Macht liegt nicht in dem Kreuz, das du hältst, Nicholas De Vere.«
    Er kam näher, löste sanft das Kreuz aus Nicks krampfhaftem Griff und trat zurück.
    »Sie liegt in Ihm, der das Kreuz geschaffen hat.«
    Eine seltsame, unerklärliche Erregung durchströmte Nick.
    »Aber es ist nur eine Legende«, hörte er sich sagen. Er machte einen Schritt auf den Fremden zu, und seine ganze innere Wut und Verzweiflung brachen sich plötzlich Bahn. »Oder etwa nicht?«
    »Nein«, sprach der Fremde leise. »An diesem Ort gibt es keine Legenden.«
    Der Fremde schlug seinen Mönchsumhang zurück.
    Unter dem Mantel aus grobem Wollstoff kam ein Gewand aus feinster indigoblauer Seide zum Vorschein. Nick starrte ungläubig auf die Füße des Fremden, die von einem seltsamen, unirdischen Leuchten erfüllt waren. Sein Blick ging nach oben, vom Saum des dunkelblauen Seidengewands über den goldenen Gürtel, der es auf Brusthöhe zusammenhielt, bis hinauf zum Gesicht des Fremden.
    »Es gibt nur Gnade … Nicholas.«
    Die Züge des Mannes lagen immer noch unter der tiefgezogenen Kapuze verborgen.
    »Und Wahrheit.«
    Der Fremde schlug seine Kapuze zurück. Nick hielt den Atem an. Er senkte den Kopf und hob die Hand vor die Augen – plötzlich geblendet von dem überirdischen Glanz, der in schimmernden Wellen vom Antlitz des Fremden ausging.
    Zitternd vor Schrecken und Ekstase hob Nick den Kopf. Er war gebannt von dem strahlenden Licht. In seinem nur langsam abschwellenden Glanz konnte er die Umrisse eines bärtigen Gesichts erkennen. Haar und Bart schienen von einem tiefen Braun zu sein, fast wirkten sie schwarz.
    Auf dem Haupt des Mannes ruhte eine goldene Krone, besetzt mit drei großen, funkelnden Rubinen.
    Aber es war nicht das Gesicht des Fremden, das ihn vollkommen in Bann geschlagen hatte. Es war, als ob Nick in das Gesicht eines geliebten und vertrauten Freundes aus den Tagen seiner Kindheit blickte, den er seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte, aber der sich stets an ihn erinnert hatte und ihn immer noch liebte.
    Er starrte gebannt auf das starke, herrscherliche Antlitz, die hohen Wangenknochen, die gebräunte Haut und die flammenden dunklen Augen, aus denen Blitze lebendigen Feuers schossen.
    Er hatte das Gesicht des Fremden schon tausend Mal

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